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Sportlerprofil by Larasch

Vom eigenen Verband verraten – die unglaubliche Geschichte rund um die Langstrecken-DM

Ein Verband ist zugleich Dachorganisation und Interessenvertretung seiner Mitglieder. Somit agiert dieser bisweilen auch politisch, wenn das Interesse der von ihm vertretenen Mitglieder es verlangt.

Wie sollte ein Sportfachverband in einer Pandemie agieren? In einer Situation, in der der öffentliche Fokus kaum den Spitzensport jenseits der Fußball-Bundesliga im Blick hat. Er sollte die Interessen seiner Mitglieder, also der Vereine und insbesondere der Sportler*innen, mit dem Infektionsschutz abwägen und Konzepte entwickeln, wie sicherer Sport möglich ist. Und dort, wo diese Interessen durch politische und verwaltungsmäßige Vorgaben übermäßig beschränkt werden, sollte ein Verband mit all seiner Kraft dagegen ankämpfen.

Vor diesem Hintergrund macht mich eine Meldung, die am 26.04.2021 lapidar in den „Flash-News“ des Tages auf leichtahtletik.de veröffentlicht wurde, schlichtweg sprachlos. Dort heißt es an dritter Stelle, dass die „bundeseinheitliche Notbremse“ aufgrund hoher Inzidenzzahlen in Mainz zum Tragen komme und daher nur Athletinnen und Athleten starten können, die entweder einem Bundes- oder Landeskader angehören oder Berufssportler seien. Die Teilnehmerlisten würden angepasst.

So weit, so schockierend! Es fehlt der Hinweise von Verbandsseite, dass man dies nicht mittragen könne, dass man juristisch dagegen vorgehen würde oder zumindest, dass man alle Möglichkeiten ausgeschöpft habe, dagegen zu intervenieren. Möglich wäre aus meiner Sicht auch der Ansatz, dass Teilnehmer*innen, die sich für eine Elitemeisterschaft qualifiziert haben, per se als Berufssportler zu werten sind. Oder man prüft, ob die Austragung an einem alternativen Ort möglich ist. Der Organisationsaufwand hierfür ist bei 10.000m-Meisterschaft, ohne Zuschauer und stark eingeschränkten Betreuerzulassungen überschaubar. Und im Gegensatz zu der ihn tragenden Vereinsarbeit hat der Verband eine beträchtliche Zahl hauptamtlicher Mitarbeiter. Ich weiß nicht, ob nicht all dies im Hintergrund gelaufen ist und nach zähem Ringen abschlägig beschieden wurde. Dann würde ich aber meinem Verband verlangen, dies in die Öffentlichkeit zu tragen. Meine Erfahrungen mit den Strukturen der Leichtathletikverbände legt aber nahe, dass all dies nicht geschehen ist. Frei nach dem Motto: die Kader sind am Start, prost! Die Leitungssportler*innen, die sich aus vollem Altruismus dem Langstreckenlauf verschrieben haben, sind mal wieder verraten und verkauft.

Um hier nicht falsch verstanden zu werden. Mir geht es nicht um das Relativieren von kontaktbeschränkenden Maßnahmen in der Pandemie. Diese halte ich für richtig und auch in der Form der „Bundesnotbremse“ für geboten. Nur, und das zeigen kreative Regelungen anderer Sportfachverbände: es ist immer eine Frage einer Güterabwägung und Auslegung. Wenn dem DLV das Wohl seiner Athletinnen und Athleten am Herzen läge, dann würde man möglicherweise den Gerichtsweg beschreiten. Wir leben in einem Rechtsstaat und oft genug haben sich im letzten Jahr Gerichte als maßvolles Korrektiv bestimmter Entscheidungen erwiesen. Ein Weg, so wurde mir zugetragen, den wohl die Veranstalter in Pliezhausen wählen werden müssen, denen mit ihrem Meeting der „krummen Strecken“ in diesem Jahr vergleichbares droht. In Karlsruhe wird im Rahmen der „Langen Laufnacht“ davon ausgegangen, dass die Normen, die man für den Wettkampf setzt, dem Vorgaben des Berufssport entsprechen. Somit hat man bei den Behörden grünes Licht für die Austragung einer weitaus größeren Veranstaltung bekommen. Übrigens sind die Normen in Karlsruhe etwas unter den vergleichbaren DM-Normen. Es scheint so, als könne man mehr für unseren Sport bewegen, als es der DLV hinbekommt. Und hier geht es um eine fucking „Deutsche Meisterschaft“.

Ich kann es immer noch nicht fassen. Kann denn der einzige Unterschied sein, dass die Leute beim Verband bezahlt werden und das Engagement möglicherweise Überstunden erfordern würde? Auffällig ist, dass die honorigen Initiativen für unseren Sport von einer Seite kommen, wo Menschen ehrenamtlich, mit Herzblut engagiert sind. Ich frage mich ernsthaft, welche Berechtigung bei einem solchen Gebaren eigentlich ein Verband noch hat?