Wie beginnt man ein Wettkampfjahr, an deren Höhepunkt alle einen der heißesten olympischen Wettkämpfe seit langem erwarten? Wir Geher des Deutschen Leichtathletikverbandes entschieden uns für die bewährte Methode: ein Trainingslager in Südafrika, im dortigen Sommer auf 1900 Metern Höhe in Dullstroom. Das gehört seit mehr als zehn Jahren zum Repertoire der Geher, von den heute Aktiven war Christopher Linke (SC Potsdam) schon seit 2008 fast jedes Jahr dabei.
Die Bedingungen sind gut, um eine gute Ausdauergrundlage für die Saison zu legen: Neben der Höhenluft sorgt die sehr profilierte Strecke im Walkerson Private Estate für eine gute Kraftausdauer. Auf dieser Farm, 20 Minuten Fahrzeit von dem Ort Dullstroom entfernt, beziehen wir jedes Jahr unser Quartier. Schwerer als die knapp 2,5 Kilometer lange Pendelstrecke ist noch die Berganstrecke, zu der wir ein Stück rausfahren. Bei meist warmem Wetter können wir auch dem europäischen Winter ein Stück weit entfliehen und uns an den heißen Tagen schon etwas an harte Bedingungen in den Sommerwettkämpfen gewöhnen. Leider wurden wir dieses Jahr oft auch von Regenfällen begleitet, wobei das Wetter immer wieder auch sehr wechselhaft war.
Mehr als drei Wochen trainierten wir Geherinnen und Geher des Olympia- und Perspektivkaders auf diesem Gelände. Leider musste Emilia Lehmeyer (LG Nord Berlin) das Trainingslager vorher verletzungsbedingt absagen, wird aber ins nächste mit einsteigen, das Ende Februar erneut mit dem ganzen Bundeskader in Südafrika stattfinden wird. Dann werden wir ins niedriger gelegene Potchefstroom reisen, wo ein Großteil letzten September bereits die unmittelbare WM-Vorbereitung absolvierte.
Kilometer schrubben
Die Umfänge in Dullstroom waren zum Teil sehr hoch, weil die Grundlagenausdauer im Fokus stand. Wir trainierten in Blöcken von zwei bis vier Belastungstagen, wobei lange Strecken von bis zu 45 Kilometern, Tempoeinheiten von insgesamt bis zu 25 Kilometern und Berganeinheiten von bis zu 35 Kilometern anstanden. Mittellange Strecken von 15 bis 25 Kilometern ergänzten die langen Belastungen, zusätzlich standen am Nachmittag oft noch 10 Kilometer Gehen oder Laufen an. In der Summe addierte sich alles, je nach Intensität, auf teilweise deutlich mehr als 200 Kilometer in der Woche.
Die einzige Geheinheit, die nicht auf der Pendelstrecke absolviert wurde, war das Bergangehen am Steenkampsberg-Pass. Manche starteten dabei am Beginn der Straße und gingen den ganzen gut 35 Kilometer langen Berg hoch, die meisten stiegen etwa bei der Mitte ein und gingen dann aber auch mit hoher Belastungsintensität bis zum Ende. Die letzten acht Kilometer sind dabei das schwerste Stück, weil es kontinuierlich steil berghoch geht und es keine Chance gibt, sich zwischendurch auch mal zu erholen. Wer die ganze Berganstrecke ging, war im Ziel etwa 800 Höhenmeter über dem Start. Diese Einheit absolvierten die Geher am Tag vor einem Ruhetag. An diesem fand dann entweder ein Lauf, Marsch oder eine kurze lockere Geheinheit sowie Athletiktraining statt.
Glücklicherweise hatten wir zunächst mit Marco Pelz und dann mit Andreas Massong diesmal durchgängig einen Physiotherapeuten dabei, die nach den harten Belastungen unsere Muskeln auflockerten, akute Probleme behandelten, das Athletiktraining leiteten und unseren Bundestrainer Ronald Weigel auch bei der Trainingsbetreuung unterstützten. Diese Unterstützung leistete auch Peter Selzer, der ehemalige Trainer von André Höhne, der trotz seines verdienten Ruhestands immer noch regelmäßig den Gehern zur Seite steht. Zwischen dem Mittagessen und der zweiten Trainingseinheit hielten wir meist einen Mittagsschlaf, außerdem nutzten wir die freie Zeit für aktive Regeneration. Das bedeutet, dass wir mit Massagebällen, Rollen und anderen Geräten unsere festen Stellen behandelten.
Auch mal den Kopf frei kriegen
In Kontakt kamen wir regelmäßig auch mit der Läufergruppe, die unter Anleitung des leitenden Bundestrainers Thomas Dreißigacker und André Höhne, dem Bundestrainer Langstrecke, direkt in Dullstroom wohnte. Zwei Mitarbeiter des Instituts für Angewandte Trainingswissenschaft nahmen auch bei uns nach den Berganeinheiten sowie bei einer Tempoeinheit von sechs mal vier Kilometern Laktatproben. Wir trafen die Läufer manchmal an den Ruhetagen, an denen wir in Dullstroom Kaffee tranken, oder sie kamen auch mal zu unserer Farm runter.
Ablenkung hatten wir bis auf die Kaffeenachmittage in Dullstroom wenig, wir nutzten aber die Zeit in den drei Häusern, auf die wir zehn Athleten sowie die Betreuer uns aufteilten, für gemütliche Abende. Entweder beim Lesen, Doppelkopf, Pokern zusammen mit Läufern oder Mario Kart spielen, oder bei Gesprächen über, man könnte sagen, alles. Manche haben auch Arbeiten in der Uni anstehen und bereiteten sich in der freien Zeit darauf vor. Interessant waren wie immer die Begegnungen mit Tieren. Während wir freilaufende Zebras, Rehe vor dem Zimmerfenster oder Affen bei der Berganstrecke mittlerweile normal finden, lernen wir doch immer wieder neues kennen. Letztes Jahr hatten wir allen Ernstes Skorpione im Haus, wenn auch welche der harmlosen Sorte. Dieses Jahr hat einer von uns scheinbar sogar einen kleinen Leoparden gesehen, der sich nach intensiver Recherche allerdings als Serval herausstellte.
Weitere Meilensteine
Die Saison wird nicht nur wegen der klimatischen Bedingungen in Sapporo bei den Olympischen Spielen eine Herausforderung, sondern auch auf dem Weg dahin. Während Christopher Linke und Saskia Feige bereits sicher für den Höhepunkt planen können, ist die Situation bei den anderen unterschiedlich und wegen des komplizierten Qualifikationssystems schwer darstellbar. Über 50 Kilometer werden einige am 21. März in Dudince (Slowakei) versuchen, die Norm zu erfüllen oder zumindest viele Punkte für die Weltrangliste zu sammeln. Andere werden am 4. April in Podebrady (Tschechien) über 20 Kilometer in die Saison einsteigen. Als vorläufiger internationaler Höhepunkt steht Anfang Mai die Team-WM in Minsk (Weißrussland) an, am 16. Mai die Deutsche 20-Kilometer-Meisterschaft in Naumburg.
Abgesehen von dem gemeinsamen Trainingslager in Potchefstroom wird es individuelle Trainingslager geben. So wird Christopher Linke vor der Team-WM noch ein Höhentrainingslager in Flagstaff in den USA absolvieren, Jonathan Hilbert (LG Ohra Energie) und Karl Junghannß (Erfurter LAC) verbringen im Febraur zehn Tage im portugiesischen Monte Gordo. Dort waren die Erfurter zusammen mit Carl Dohmann (SCL Heel Baden-Baden) und Nathaniel Seiler (TV Bühlertal) schon für eine längere Zeit im Dezember. Die übrigen Athleten, darunter Nils Brembach, Hagen Pohle, Teresa Zurek (beide SC Potsdam) und Leo Köpp (LG Nord Berlin), waren zur gleichen Zeit im Skitrainingslager in Balderschwang. Je nachdem, wie der Kader für die Olympischen Spiele am Ende genau aussehen wird, wird dann jeweils die genaue Vorbereitung abgestimmt. Fest steht, dass ein Höhentrainingslager auf dem Belmeken in Bulgarien zentral sein wird