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Sportlerprofil by Larasch

Challenge Roth - Der Tag der Tage!

Die besinnlichen Weihnachtstage klingen noch nach und ein neues Jahr hat begonnen. Die perfekte Zeit das vergangene Jahr zu reflektieren und einen weiteren Versuch zu starten, den bisher aufregendsten Tag meines Lebens in Worte zu fassen. Emotionen gibt es viele zu diesem Tag bzw. dem Wochenende. Sie kommen immer wieder hoch, bescheren mir Gänsehaut und/oder einen Klos im Hals. Sie überwältigen mich (teils unvorbereitet) ausgelöst durch Situationen, Bilder oder auch nur dem Nachfragen von Freunden und Bekannten. 
 
Das Event ist ja nicht nur der Wettkampftag. 
Genau genommen fängt die Challenge Roth schon ein paar Tage vor dem Wettkampftag  an. Wir reisen am Freitag an um uns vor Ort orientieren zu können und möglichst stressfrei alle notwendigen Punkte abzuarbeiten (Startnummern holen, Rad einchecken, Pasta Party,…).  
Roth ist schon präpariert für das Event. Vor allem der Banner "Welcome home Triathlets", der mehrfach in Roth hängt, bereitet mir Gänsehaut. 
Hier in Roth zu stehen und zu merken, dass es jetzt real wird und man etwas ganz großes zu leisten wird, ist ein unbeschreibliches Gefühl. Bis vor 4 Monaten hatte ich ja noch keine Ahnung, dass ich als Teilnehmer hier stehen werde! Und jetzt, jetzt freue ich mich mit wahnsinniger Euphorie auf diesen einen Tag! 
 
Am Freitag kommen meine Eltern mit unserem Hund Joey nach Roth. Zur Orientierung und in Vorbereitung auf ihre Supportrolle für den großen Tag. Natürlich lässt es sich Joey nicht nehmen den Kanal auf seine Schwimmbarkeit zu testen. 
Und der Kanal bzw. die Wassertemperatur im Kanal ist in diesem Jahr ein großes Thema. Die Schleuse zum Fluten des Kanals ist kaputt, wodurch die Wassertemperatur nicht reguliert werden kann und täglich ansteigt. 
Bis zum Morgen des Wettkampftages bleibt die Wassertemperatur im Kanal und das damit evtl. einhergehende erstmalige Neoverbot bei der Challenge Roth ein dominierendes Thema. 
Mir ist es ehrlich gesagt egal ob ich mit oder ohne Neo schwimme, mein größtes Ziel ist es mit einem Lächeln ins Ziel zu kommen, ob das nun 10 Minuten früher oder später ist, ist zweitrangig. Getreu dem Motto "Alles kann, nichts muss", wäre ein Zieleinlauf unter 12 Stunden zwar schön, ist aber kein muss. Und nicht zu verachten ist die Tatsache, dass ich mir ohne Neo zumindest das Ausziehen in der Wechselzone spare (meine Wechseltzeiten sind wirklich verbesserungswürdig). 
An der Stelle möchte ich auch die mutmachenden Worte meines Trainers Matthias zu dem Thema zitieren: "Meine Athleten können auch ohne Neo 3,8km schwimmen!" 
Was mir mehr Sorgen bereitet, sind die leichten Halsschmerzen die mich seit ein paar Tagen begleiten und tatsächlich zu einem Showstopper werden können... 
 
Abends halten wir dann die Startnummern in den Händen und wir ziehen mit geschulterten Roth Rucksäcken zur der Bayern 3 Party auf dem Dorfplatz. Nachdem der Anreisetag anstrengend war, die Halsschmerzen Ruhe einfordern und noch die Fahrt ins Hotel ansteht, bleiben wir nicht bis zum bitteren Ende.
 
Am Samstagmorgen wird der Kanal in einem definierten Zeitfenster zum planschen freigegeben. Die Halsschmerzen haben etwas nachgelassen und ich beschließe mit Neo auch mit ins Wasser zu gehen. Für das Wassergefühl. 
Mit Neo, es ist doch ganz schön frisch... Frischer als erwartet. 
Unfassbar, dass ich hier morgen 3,8 km schwimmen soll... und dann noch 180km Rad und abschließend einen Marathon laufen... Da ist es wieder, das unbeschreibliche Gefühl. 
Heute treffe ich mich für das Larasch Video zu einem Interview mit Steph. Immerhin war in dem gewonnen Paket auch eine Kamerabegleitung beinhaltet. Ich muss zugeben, die "Kamerabegleitung" hat mir mehr Kopfzerbrechen bereitet als die Langdistanz. Ein Interview zu geben ist ja das Eine, aber beim Sport gefilmt zu werden, wo man bekanntlich nicht immer so aussieht wie man es sich vorstellt, das ist etwas anderes. Und dann die Ungewissheit was am Ende raus kommt und der Welt präsentiert wird... 
Achtung Spoiler: das Video ist einfach nur der Hammer geworden!! Ich bin nach wie vor begeistert was das Team von Larasch aus dem Bildmaterial gemacht hat! 
Aber zurück zu dem Treffen mit Steph. Als wir uns dann gefunden haben (es war unsagbar heiß an dem Tag und die Schattenplätze rar), ging es auch gleich los. Zu dem Zeitpunkt war ich der Meinung, dass wir 2 Stunden filmen und dann wieder die Spitzensportler vor die Linse genommen werden. Aber nein, wir hatten den ganzen Tag Begleitung. Zunächst nur von Steph, später kommt dann Alex dazu und bis zum Abschluss des Tages, dem Wettkampfbriefing, begleitet uns Nicole. "Uns", da mein Trainingspartner Ronny immer mit dabei ist. Nachdem das Larasch-Team so schön unkompliziert und angenehm ist, hat sich alles ergeben und weder die Kamera noch die ständige Begleitung war ein Problem. 
Abends war ich dann aber platt. So viel Action und Aufregung den ganzen Tag zehrt ganz schön an den Kräften und genau die brauche ich morgen. 
Aber das hilft alles nichts, im Hotel muss noch die Verpflegung für den morgigen großen Tag zusammen gestellt werden... 
Gefühlt viel zu spät fällt man dann doch ins Bett, nur um dann vom Wecker um 3 Uhr morgens wieder geweckt zu werden. 
 
Tatsächlich habe ich das Gefühl etwas geschlafen zu haben, merke aber trotz der Vorfreude, dass ich wahnsinnig angespannt bin. Das Wetter sieht nicht gut aus. Es nieselt und ist bewölkt. Laut Wettervorhersage soll es im Laufe des Vormittags aufklaren. 
Während alle um mich rum munter ihr Frühstück essen, bekomme ich kaum was runter.  Zum Glück kenne ich das schon von anderen Wettkämpfen, aber es ist natürlich ein Unterschied ob man vor einer Olympischen Distanz nichts isst oder einer Langdistanz. 
Wir brechen zeitig auf um zum Start und den Rädern zu kommen (die Verpflegung muss ja noch ans Rad). 
Und so reihen wir uns auf dem kurzen Weg von Hotel in die sich in Schrittgeschwindigket bewegende Autokolonne in Richtung Start ein. 
Der Nieselregen wechselt sich inzwischen mit richtigen Regentropfen ab. 
Auf der Parkplatzwiese angekommen, lässt sich der ursprüngliche Plan nur so wenig wir möglich mit an den Start zu nehmen nicht realisieren. Es ist kalt... Sehr zum Vorteil der Wassertemperatur. Der Neo ist erlaubt. 0,1 Grad Celsius am Grenzwert vorbei. 
Auf dem Weg über die Brücke (unter der man dann durch schwimmt und auf der sich Unmengen Zuschauer versammeln) treffe ich wieder Steph mit der Kamera. Zum Glück muss sie gleich weiter, ich bin kaum in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen. Kaum 10m weiter werde ich dann doch von meinen Emotionen überwältigt. Die Stimmung ist einfach unbeschreiblich. Es nieselt, es ist düster und es wird melancholische Musik gespielt. Wie soll man da bitte nicht weinen!! Nach kurzer Zeit bin ich dann wieder happy und freue mich wahnsinnig, nur um 5min später wieder überwältigt zu werden. Und so geht es dann immer weiter. Ein Wechselbad der Gefühle zwischen Respekt, Vorfreude und ein kleinem bisschen Sorge vor der Ungewissheit was da kommt. 
Ich präge mir den Weg zu meinem Rad ein, besuche die Toiletten (freue mich über die Hotelschlappen, danke Mama!) und schlüpfe ich den Neo. 
Ich starte im 2ten Damenblock. Ronny startet (zum Glück) nach mir. Er begleitet mich soweit es geht bis zum Start und dann bin ich auf mich alleine gestellt. Es geht los. Die Schlange ins Wasser setzt sich in Bewegung und ich merke auch die Aufregung der anderen Damen. Zum Glück bin ich nicht alleine... 
Als ich mit den Füßen ins Wasser gehe, sehe ich auf der Brücke die Biene Maja Ballons von meiner Mama!! Ich bin unsagbar gerührt und freue mich so sehr, dass meine Eltern an diesem besonderen Tag dabei sind. 
Tränchen wegwischen und Schwimmbrille auf. Ich drücke auf meine Uhr und habe in der Aufregung einen falschen Knopf erwischt. Mist! Ich muss nochmal komplett aus dem Menü raus. Der Puls steigt, ich ermahne mich zur Ruhe und ich schwimme nochmal an den Rand um mich darum zu kümmern. Das ist auch gleich die Gelegenheit den Transponder am Fuß enger zu schnallen. Beim ins Wasser gehen hat sich das Band geweitet, meine zweite Sorge an diesem Morgen ist es den Transponder im Wasser zu verlieren. Zum Glück kann ich beide Sorgen mit einem Schlag beseitigen und als ich noch am Transponder rumfummel, höre ich den Countdown! Mist, ich muss los! 
Ohne Zwischenstopp schwimme ich hinten aufs Feld auf und "überquere" die Startlinie. Hui, was für eine Aufregung! 
Ich orientiere mich am Kanalrand und versuche mich frei zu schwimmen. Schon in den ersten Minuten wird klar, das Startfeld ist anders als alle anderen Startfelder in denen ich bisher war. So rücksichtsvoll und aufmerksam. Man wird nicht über den Haufen geschwommen, bekommt keine Genickschläge und wird nicht abgedrängt. Sehr angenehm! Schnell fühle ich mich wohl und habe meinen Rhythmus gefunden. Die Linie am Kanalrand ist die richtige Wahl, hier habe ich meine Ruhe und kann fasziniert die Zuschauer am Rand betrachten. Nach dem ersten Kilometer schaue ich im Zug auf die Uhr und bin überrascht, ich bin zügiger als erwartet unterwegs. Hm, soll ich mich einbremsen? Halte ich das so durch? Ich entscheide mich, mich auf mein Körpergefühl zu verlassen und das sagt: keine Sorge, du bist erholt, das Tempo macht Dir nichts. Ein tolles Gefühl! 
Irgendwann zwischen 2ten und 3ten Kilometer kommt mein absoluter Höhepunkt der Schwimmetappe: Ich sehe die Ballons meiner Eltern am Kanalrand!! Die Biene Maja Ballons waren die beste Idee!! 
Jetzt gibt es nur ein Problem: Ich sehe meine Eltern, sie sehen mich aber zwischen den viele roten Badekappen nicht! Also gibt es nur eine Chance, ich halte an und rufe. Tatsächlich, sie sehen mich und flippen fast genauso aus wie ich. Jetzt muss ich aber weiter, der Tag ist ja noch lang. Beim wegschwimmen erkenne ich endlich den Sinn der Schultertippschwimmübung, man kann auf die Art prima Luftküsse schmeißen! Das mache ich auch und meine Eltern schaffen es tatsächlich das in einem Video festzuhalten. 
Den Rest der Schwimmstrecke bin ich überwältigt und freue mich wahnsinnig auf den restlichen Tag! 
 
Aus dem Wasser raus und ab ins Wechselzelt. 
Die Helfer sind hier wirklich der Hammer. Man wird in dem Zelt beim Wechsel betreut und unterstützt, beim Rausgehen wird man dann auch noch (wenn man möchte) mit Sonnencreme eingecremt. Nachdem später angeblich die Sonne rauskommen soll, nehme ich die Dienstleistung dankend an. Vielleicht klappt das ja doch noch mit der Sonne. Zumindest regnet es nicht mehr, aber es ist kalt.  
Auf dem Weg zum Rad entscheide ich mich um und zieh entgegen der Aerodynamik doch die Windweste an. Hier treffe ich auch Alex und Steph von Larasch wieder und freue mich wahnsinnig beide zu sehen. 
Nachdem ich auf Anhieb nicht sofort eine Toilette sehe, entscheide ich einfach mal los zu fahren. 
Noch ein Blick auf die Uhr und dann der Schock, die Ansicht kenne ich nicht!! Warum ist die Uhr verstellt?! Ok, keine Zeit mich darum zu kümmern, ich will los, unterwegs beschäftige ich mich damit. 
Und ab geht es! 
 
Die Wahrnehmung der Zuschauer auf dem Rad ist komplett anders als im Wasser. Alles ist lauter und näher. Und da ist es dann wieder, das unbeschreibliche Gefühl!! 
 
Ich trete in die Pedale und habe das Gefühl, die 180km können mir gar nichts. Die Beine sind erholt und das Selbstvertrauen stimmt. Jetzt bloß nicht übermütig werden. Und da war ja auch noch was mit der Uhr.... Ich schaue auf die Uhr und bin irritiert. Warum ist die Ansicht verändert? Und dann kommt es mit: gestern Abend wollte habe ich nochmal alle Abläufe an der Uhr angeschaut und mit kurz überlegt noch einen Parameter in der Ansicht anzupassen!! Ich habe mich dagegen entschieden und bin einfach aus dem Menü wieder raus. Scheinbar war das "Menüverlassen" eine Änderung der Einstellung!! Das kann doch nicht sein! Wie schon so oft im Training denke ich mir, ich sollte mich bei dem Uhrenhersteller mit G als Tester oder gleich Produktmanager bewerben... 
Aber das alles hilft mir jetzt nicht. Ich muss mich entscheiden, will ich die Himmelsrichtung in die ich fahre, die aktuelle Uhrzeit, die verstrichene Gesamtzeit (inkl. Schwimmen), die Wattzahl oder meinen Puls sehen. Ich entscheide mich für letzteres, damit kann ich noch am meisten anfangen. 
Alle 5km gibt die Uhr einen Überblick über die vergangenen 5km und ich versuche mir anhand dessen meine Geschwindigkeit zu ermitteln. Und wie das eben mit dem Rechnen während dem Sport ist, die einfachsten Rechnungen erscheinen einem unmöglich. Ich gebe auf und mich damit zufrieden meinen Puls zu sehen. 
 
Eigentlich müsste Ronny doch auch bald von hinten überholen... Wir haben grob überschlagen, dass er mich schon in der Wechselzone überholt. Er ist definitiv der bessere Schwimmer. Aber ich war beim Schwimmen 5min schneller als erwartet und so stimmt unsere Rechnung nicht mehr.  
Egal wie, er müsste mich auf dem Rad bald überholen... 
Naja, dann vertreibe ich mir etwas Zeit damit mich mit anderen Radfahrern zu unterhalten (nur kurz, im Pulk fahren geht ja nicht), freue mich über die Zuschauer und dann auch über die Ruhe als es in die ländlicheren Regionen geht. Die Strecke kenn ich schon aus dem Training. Es war definitiv die richtige Entscheidung sie vorab zu Fahren und sich einzuprägen. 
 
Hm, schon 40km rum und noch immer wurde ich von Ronny nicht überholt. Haben wir uns vielleicht in der Wechselzone verpasst? Das wäre so schade... Oder ist etwa was passiert? Diesen Gedanken schiebe ich lieber mal weg... 
Und dann bei km 70 ist es so weit, mit einem Klaps auf den unteren Rücken und einem "da bist Du ja" werde ich überholt! Erleichterung und freude macht sich breit. Ein kurzer Statusupdate des gegenseitigen Befindens und schon ist er weg. 
Das war definitiv ein Highlight beim Radfahren. 
Und wie auch bei anderen Veranstaltungen sammele ich auch hier weiter Highlights. 
Ein Kampfrichter der mich für mein Fahrverhalten lobt, andere Athleten mit denen ich mich kurz austausche (gerade Bergauf zb in Greding ist das gut möglich) und die immer um einen rum sind, die Pinkelpause in der ich Flo kennen lerne (und dann auch im Verlauf des Tages immer wieder "treffe") und dann natürlich der Höhepunkt, der Solarer Berg!! 
Man kann es sich einfach nicht vorstellen wenn man es nicht erlebt hat. Man fährt (voller Adrenalin von dem Vorangegangenen nicht weniger spektakulären Anstieg) in den Ort und hört schon eine tosende Geräuschkulisse die, umso näher man kommt, immer lauter wird. Während man sich noch ausmalt was da kommen könnte, fährt man um die Kurve und sieht zum ersten Mal den Solarerberg von Zuschauern belagert! Der Lärm und die Menschenmasse trägt einen und die Faszination lässt einen nur staunen. Treten wird nebensächlich. Und so bewegt man sich langsam zunächst in einem Gang in dem hinter der Absperrung Zuschauer stehen. Der Gang wird immer enger und irgendwann sind auch plötzlich die Absperrungen weg. Die Zuschauer sind nur wenige cm von einem entfernt und treten nur einen Schritt zurück um Dich durch zu lassen. 
Die ganzen Bewegungen und Eindrücke um mich rum lassen mich kurz taumeln. Ich muss mich konzentrieren und bleibe mit etwas Abstand hinter meinem Vordermann. 
Und dann sehe ich sie, die Biene Maja Ballons!! Meine Eltern!! Und da ist es wieder, das unfassbare Gefühl!! 
Oben angekommen bin ich vollgepumpt mit Adrenalin und Euphorie!! Von irgendwo kommt eine Australierin der es genauso geht und wir teilen den Moment. 
 
Und dann ist auch schon plötzlich die erste 90km Runde rum. Einfach so. 
Jetzt noch einmal rum und dann darf ich an der Gabelung an der ich jetzt links abbiege, rechts abbiegen. 
Auf der zweiten Runde sieht alles ein bisschen anders aus. Irgendwie ruhiger. Die Zuschauermassen sind weniger geworden. Aber das ist nicht schlimm, es gibt noch einige die die Stellung halten und etwas Ruhe zwischendurch tut wirklich gut. Ich kontrolliere nochmal ob ich genug zu mir genommen habe und freue mich. In meinem Kopf habe ich jetzt die Hälfte der Langdistanz geschafft. Natürlich nicht Streckenmäßig, aber von 3 Disziplinen habe ich 1 ½ hinter mich gebracht. Ich muss grinsen, vor 2 Jahren hätte ich jedem einen Vogel gezeigt der mir sagt, dass ich mal Triathlon und dann auch noch Langistanz mache. 
 
Inzwischen ist es wärmer geworden, die Sonne ist raus gekommen und die Straßen sind trocken. Somit steht einer erfolgreichen 2ten Runde ohne Windweste nichts im Weg. 
 
In der Runde treffe ich an einem Anstieg dann nochmal Alex mit der Kamera und wir quatschen bis der Kampfrichter ihn darauf Aufmerksam macht, dass Begleitung nicht erlaubt ist. Und so ziehe ich von dannen... 
 
Am Gredinger Berg ist viel weniger los als in der ersten Runde. Das mindert jedoch nicht meine Freude am Berg. Ich mag es wenn es hoch geht, das bringt Abwechslung in den Puls. 
Hier unterhalte ich mich mit Caro, es ist auch ihre erste Langdistanz und sie findet sie ziemlich anstrengend. Hier überlege ich zum ersten Mal ob ich es anstrengend finde und ja, ich finde es auch anstrengend. Aber das war ja abzusehen.... 
Schlimmer ist es für mich, dass in der 2ten Radrunde mein Knie angefangen hat weh zu tun. Ich kann die Anstiege nicht mehr mit dem normalen Druck hochtreten. Das macht mit irgendwie Sorgen. 
Also nehme ich Druck aus den Pedalen und versuche mehr zu ziehen. 
 
Und dann kommt der Punkt an dem ich rechts abbiegen darf!! Es geht zur 2ten Wechelszone! Wow! Und da werde ich wieder emotional. Jetzt muss ich nur noch einen Marathon laufen und Laufen ist meine Stärke! Zumindest kann ich mich da am besten einschätzen... 
 
Ich erhöhe die Trittfrequenz und bereite mich auf die nächste Etappe vor. 
 
In der Wechselzone wieder die gleiche tolle Betreuung wie in der ersten Wechselzone. Eine junge Dame hilft mir alles aus dem Beutel an mir und die Radsachen im Beutel zu verstauen. 
Unterwegs habe ich mir ausgerechnet, dass ich spätestens um 3 Uhr die Wechselzone verlassen muss, wenn ich den Marathon in 4 Stunden und somit die Langdistanz in 12 Stunden bewältigen will. Ich frage nach und es ist erst kurz vor halb 3!! Ich liege also in der Zeit! Na dann, nehme ich mir doch noch Zeit für eine Pinkelpause. 
 
Und dann geht es los, die letzte Etappe an diesem Tag! 
Ich laufe los und fühle mich gut. Die Beine laufen sich frei und vom Knie merke ich nichts. Es macht sich Erleichterung breit und ich versuche eine Pace zu finden mit der ich mich wohl fühle. Wow, nur noch 4 Stunden... 
Und dann die Ernüchterung, bei km 10 schießt mir ein Schmerz ins Knie und jeder Schritt tut weh. Aber ok, schlimmer kann es dann ja fast nicht werden... 
Es geht am Kanal zunächst einmal rechts runter (Himmelsrichtungen spielen keine Rolle) und ich treffe Caro vom Gredinger Berg wieder. Ihr geht es richtig schlecht. Leider kann ich ihr nicht helfen und laufe mein Tempo weiter. Nach kurzer Zeit merke ich, dass die Schmerzen und die Anstrengungen des Tages anfangen mir auf den Magen zu schlagen. Das nächste Dixi ist meins. 
Danach geht es in ruhigen Tempo weiter. Noch vor dem Wendepunkt treffe ich Ronny!!! Ihm geht es gut, das beruhigt mich irgendwie. Das ist der Riesenvorteil am Schleifen laufen, das werde ich noch öfters merken... 
Ab dem Wendepunkt kommt dann Gegenwind dazu. Es wird unfassbar anstrengend... Das Problem ist, man (oder nur ich) realisiert nicht, dass der Gegenwind so stark ist und es deswegen so anstrengend ist. Vielmehr wundere ich mich über die Pace in Kombination mit der gefühlten Anstrengung und überleg mir, wie faszinierend der Verlust des Körpergefühls ist. 
Und dann sehe ich wieder die Biene Maja Ballons!! Genau im richtigen Moment! Und jetzt sind tatsächlich auch noch Freunde von mir dabei! Wow, der Energieschub kam unerwartet!! 
Und weiter geht der Kampf gegen den Wind auf einer zermürbend eintönigen Strecke. Ich beschäftige mich mit dem Konzept der ersten Hilfe vom Boot aus, sehe andere Läufer denen es definitiv schlechter geht als mir, versuche den Schmerz zu ignorieren, gegen den rebellierenden Magen anzukommen und mich an jeder Verpflegungsstation zu versorgen, notfalls auch gehend.  
Und dann sehe ich wieder Ronny, wir schlagen ein und ich kämpfe weiter. Nur kurz darauf sehe ich blaue Haare am Rand und realisiere im vorbei laufen, zwei weitere Freunde haben es geschafft und sind gekommen!! Mir geht es zu diesem Zeitpunkt so schlecht, dass ich kaum Energie schöpfen kann. Isa läuft kurz neben mir her, ich berichte ihr von meinem Leid und alleine dadurch geht es mir besser. Am Wendepunkt merke ich erst richtig die Auswirkung des Gegenwinds (jetzt Rückenwind). Plötzlich fühlt sich alles so leicht an! Ich bin erleichtert, jetzt bleibt nur noch die Sorgen mit Knie und Magen... und als ich wieder auf Isa und Max treffe (die voller Sorge sind) kann ich mich richtig freuen, dass sie gekommen sind! 
 
Die Schmerzen und der Magen bleiben. Das sind die 30 schmerzhaftesten und längsten Kilometer meines Lebens. Ich arbeite mich von km zu km, von Versorgungsstation zu Versorgungstation, von Dixi zu Dixi und hoffe nichts kaputt zu machen. 
 
Dann kommt km 21, die Hälfte ist geschafft, ab jetzt geht es heim! 
 
Als es dann endlich von der Eintönigkeit des Kanals weg geht atme ich zumindest etwas auf und schöpfe nochmal Energie aus meinen Eltern und Freunden die hier sind um mich an diesem Tag zu unterstützen. 
 
In meinem Kopf sind es 3 Schleifen zu laufen und in der Dritten befindet sich ein See. Und so laufe ich von Kilometer zu Kilometer bis ich an dem Abzweig der dritten Schleife bin. Hmm, komisch, am Ende der Schleife ist gar kein See und irgendwie passt es von der Kilometerzahl nicht, wenn es jetzt nur noch zurück geht... 
So vergehen dann ein paar Kilometer grübelnd... Wenigstens bin ich in der Zeit abgelenkt... 
Kurz vor dem Ort habe ich etwas Hoffnung geschöpft, dass meine Uhr nicht richtig gemessen hat. 
Dann die Enttäuschung, es sind anscheinend 4 Schleifen und nicht 3... Mist! Man muss nochmal weg von Roth! 
Ok, ist ja ein tolles Renne, so hat man dann mehr davon... Das ist nur ein kleiner Auszug aus dem Versuch es positiv zu sehen...
 
Es geht durch den Ort über Kopfsteinpflaster. Bei jedem Schritt auf dem unebenen Boden habe ich Sorgen um mein Knie... 
Und dann höre knapp hinter mir meine Mama rufen "Da ist sie!!" Und tatsächlich, meine Eltern waren auf dem Weg zu dem nächsten Punkt an dem sie mich abfangen wollten und durch Zufall bin ich schon früher bei ihnen vorbei gekommen. Da war ich wohl doch schneller als erwartet. 
Und dann passiert was unfassbares: Mein Vater rennt mir mit der Kamera hinter her und läuft ein Stück hinter mir her! Mein Vater! Früher mal Läufer, nach einem Unfall vor 25 Jahren aber nicht mehr aktiv beim Laufen. In dem Moment denke ich mir: Verdammt, mein Vater ist so schnell wie ich!! Und irgendwie bin ich dann doch stolz und freue mich. 
 
Es geht raus aus dem Ort und was dann kommt ist wirklich krass! Es geht hoch und runter! Unter normalen Umständen wahrscheinlich eine schöne Strecke mit etwas Profil, nach dem Tag der hinter einem liegt und dem stupiden Kanallaufen eine richtige Herausforderung.... 
 
Kurz vor dem Wendepunkt kommt mir Ronny entgegen und ruft mir schon von weitem zu: "Über 30km, ich bin noch nie so weit gelaufen!" Da muss ich grinsen. Stimmt, er ist noch nie einen Marathon gelaufen. 
Und dann sind da wieder Zuschauer, die mich mit Namen anfeuern. Ich freu mich wahnsinnig und wundere mich dann, woher sie meinen Namen kennen. Meine Startnummer mit Namen hängt auf meinem rechten Bein und sie stehen links von mir... 
Bevor ich mich weiter damit beschäftigen kann, kommt endlich der See der umrundet werden muss. Ich bin erleichtert, ab jetzt geht es wirklich nur noch heim! 
Am See ist viel los und das gibt Kraft! 
Auf dem Weg zurück höre ich wieder meinen Namen und ein leicht entsetztes "Sie ist es wirklich!!", ich schaue rüber und dann sind da Bekannte von Früher an der Strecke! Unfassbar! 
 
Irgendwann gehen dann wieder die Ortschaften los und ich hangel mich an den letzten Versorgungsstationen entlang. Und dann fangen sie an, die letzten 5km... 
Wie oft haben wir im Training bei den letzten Intervallen eingeschlagen und "für die letzten 5km in Roth" Gas gegeben. Jetzt sind sie da, die letzten 5km in Roth. Dafür haben trainiert und daraus haben wir Kraft geschöpft. Ich muss an Ronny denken. Er ist sicher schon im Ziel. Ob er die letzten 5km wohl auch so gefeiert hat? 
 
3km vor dem Ziel ist der Akku der Uhr leer. Wow, so ganz ohne einen Anhaltspunkt laufen ist dann wirklich komisch. Das Gefühl für Anstrengung und Geschwindigkeit ist nicht mehr vorhanden. Also versuche ich einfach weiter im Rhythmus zu bleiben. 
 
Dann kommt Alex. Cool, tatsächlich treffe ich ihn nochmal auf der Strecke! 
Wir unterhalten uns kurz bzw. eigentlich ermutigt er mich und feuert mich an.  
Gleich ist es geschafft. Da ist schon die aus den letzten Tagen bekannte Strecke ins Stadion! 
 
Kurz bevor man in den Zielkanal einbiegt, traue ich meinen Augen kaum, da steht Matthias, mein Trainer! Er hatte versprochen beim Zieleinlauf da zu sein und er hat es wirklich geschafft! Und dann ruft er mir das Unfassbare zu: "Unter 12 Stunden!!" Ich brauche um zu realisieren was die Worte bedeuten... Meine Uhr ist aus und seit der Radfahrt hatte ich keinen Überblick wie ich in der Gesamtzeit liege. 
Ich laufe durch den Kanal zum Ziel, links und rechts Menschenmassen die einen anfeuern. Und dann passiert es, ich stolpere auf dem ausgelegten Teppich und für einen kurzen Moment sehe ich mich stürzen. Die Beine reagieren nicht mehr wie erwartet und die Kraft ist am Ende. Aber irgendwie schaffe ich es doch mich abzufangen. Danke Adrenalin! 
 
Und dann kommt der unfassbare Moment in dem Man durch den Torbogen ins Stadion läuft! Wie oft stellt man sich diesen Moment im Training vor! Jetzt ist er da! Und da ist auch noch der letzte übrig gebliebene Biene Maja Ballon, meine Eltern! Ich bin unfassbar überwältigt! Jetzt nur noch die kleine Runde durchs Stadion! Und da sind auch meine Freunde! Das Gefühl ist unbeschreiblich! 
Ich komme, wie ich es mir vorgenommen habe, mit einem Lächeln ins Ziel und bin perplex. Mir wird eine Medaille umgehängt und das Mädchen gratuliert mir. In dem Moment ist es vorbei. Ich bin überwältigt und kann meine Freudentränen nicht zurück halten! 
 
Ich habe es wirklich geschafft! In vier Monaten zur ersten Langdistanz!! 
 
 
Alex, ich wünsche Dir viel Spaß bei Deinem Selbstversuch! 

Viel kann ich Dir nicht auf Deinem Weg mitgeben, nur ein paar Tipps: 
- Jede Versorgungsstation auf der Laufstrecke hat Salz, nutze es! (Ich habe die Salzkiste leider nur einmal gesehen) 
- Spiel am Abend davor nicht an der Uhr rum 
- Auch wenn es zwischendurch hart wird: Lächeln 

 

Und für alle die bis hierhin gelesen (oder nur gescrolled) habe, das Ergebnis der Videobegleitung:

https://www.youtube.com/watch?v=zHDoQORLyX0