Ich habe sehr lange darüber nachgedacht, ob ich diesen Beitrag schreiben soll. Einerseits, weil es um sehr persönliche Erfahrungen geht; andererseits, weil ich mich gefragt habe, wen das denn tatsächlich interessiert. Schlussendlich habe ich mich doch dafür entschieden. Wenn niemand über ähnliche Erfahrungen berichtet, kann auch niemand daraus lernen. Und wenn dieser Bericht auch nur einer einzigen Person hilft, dann hat es sich schon gelohnt.
Herbstzeit ist Marathonzeit. Der Letzte ist bei mir leider schon drei Jahre her und es wird dieses Jahr auch (wieder) keiner dazukommen. „Warum?“ werden sich vielleicht einige fragen, habe ich doch beim Frankfurt Marathon 2018 mit 2:40:11 eine super Zeit abgeliefert und war definitiv motiviert, im Folgejahr die 2:40 zu unterbieten.
Für die Gründe muss ich ein bisschen in der Zeit zurückgehen. Die Jahre zwischen 2011 und 2018 waren bei mir geprägt von Sport, insbesondere dem (Marathon) Laufen. Als „Startschuss“ für ein strukturiertes und ambitioniertes Training sehe ich immer noch meinen Frankfurt Marathon 2011, bei dem ich mit einer Vereinskameradin etwas überraschend 3:03 Std. gelaufen bin. Gleichzeitig habe ich 2011 mein Masterstudium in Jena begonnen und dort ziemlich schnell eine feste Lauf- und Freundesgruppe gefunden. Nach und nach habe ich mein Training gesteigert und die Zeiten sind gepurzelt. In sieben Laufjahren hatte ich wenige Ausfälle bzw. Rückschläge und kannte für die Leistungskurve nur die Richtung nach oben. Siege beim Rennsteiglauf und Platzierungen bei dt. Marathonmeisterschaften waren das i-Tüpfelchen.
Was ich in der ganzen Zeit rückblickend völlig vernachlässigt habe, war die adäquate Versorgung meines Körpers mit der Energie, die er für den Trainingsaufwand benötigt hätte (Stichwort RED-S Syndrom). Nicht nur die Menge an sich war zu gering, sondern insbesondere die Versorgung mit Kohlenhydraten. Die in Sportlerkreisen herumgeisternde Auffassung, dass eine kohlenhydratreduzierte Ernährung Leistung steigert, hatte sich in meinem Kopf festgebrannt. Erstaunlich lange ist das gut gegangen aber die Marathonvorbereitung 2018 mit bis zu 110 Wochenkilometern in Kombination mit einem 40-Std-Job und der unzureichenden Energieversorgung hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Simon Hoyden hat in einer kürzlich erschienenen Folge vom „bestzeit“-Podcast vom „Point of no return“ gesprochen und ich denke, dass dieser „Point“ bei mir der Frankfurt Marathon 2018 inkl. Vorbereitung war.
Bereits in den Wochen nach diesem Marathon habe ich gemerkt, dass ich mich nicht wirklich gut erholt habe. Nach Trainingseinheiten, die Wochen vorher noch ganz locker liefen, hatte ich plötzlich starken Muskelkater, der auch viel länger andauerte als normalerweise. Sicherlich ist es nach jeder Pause so, dass man beim Wiedereinstieg Muskelkater bekommt aber das hat sich anders angefühlt. Dazu kam hier ein Ziehen im Fuß und dort Trainingsunlust. Das Rezept der letzten Jahre - ein paar Wochen Alternativtraining und dann wieder auf annährend gleichem Niveau ins Laufen einsteigen - hat diesmal allerdings nicht funktioniert. Ein paar Wochen lief das Training gut und war dann wieder gefolgt von Wochen, in denen überhaupt nichts ging (die Abwärtsspirale habe ich bereits in diesem früheren Beitrag beschrieben https://larasch.de/nora-kusterer/blog/planaenderung). Oft habe ich dieser Zeit gehört, dass es nur ein Kopfding ist und ich mich einfach ein bisschen quälen müsse. Also habe ich gepusht (oder es zumindest versucht) und mich dann doch wieder in Tränen aufgelöst wiedergefunden, weil der Körper einfach nicht mitgezogen hat. 2019 war also ein Jahr voller Auf und Ab: Ein mittelmäßiger Halbmarathon in Mainz, ein paar 10er bei der Winterlaufserie in Jügesheim und zum Jahresabschluss wieder ein überraschend guter Nikolauslauf in Tübingen.
Dann kam das Jahr 2020 und mit ihm Corona. Plötzlich war der ganze selbstgemachte Druck weg, denn es gab keine Wettkämpfe und kein gemeinsames Training mehr. Dafür viel Zeit zum Nachdenken bzw. zum Vorantreiben anderer Themen wie z.B. meine ausbleibende Periode, die ich bereits viel zu lange ignoriert habe.
Schon 2019 habe ich Termine bei einer Ernährungsberaterin und einer Sport-Gynäkologin gemacht. Zum einen erhoffte ich mir davon eine Leistungssteigerung bzw. wenigstens keinen weiteren Leistungsabfall. Zum anderen wollte ich das Thema Amenorrhoe endlich angehen.
Mit Susanne Weber hatte ich endlich eine Frauenärztin gefunden, die mir nicht gesagt hat, dass ich mit dem Sport aufhören oder einfach die Pille nehmen soll. Zum ersten Mal hat sich eine Ärztin wirklich die Zeit genommen das Problem zu verstehen und mit mir gemeinsam Optionen zu überlegen. Ein Wundermittel gab es jedoch trotzdem nicht und um die Punkte Trainingsreduktion, Ernährungsumstellung und damit verbundene Gewichtszunahme bin ich nicht herumgekommen. Insbesondere das Gewichtsthema war und ist für mich kein leichtes, ist doch die Laufszene geprägt von durchtrainierten, schlanken Athletinnen. Zudem assoziiere ich mit einem bestimmten Erscheinungsbild (von mir selbst) auch bestimmte sportliche Leistungen. Im Gegensatz zu anderen Dingen konnte auch niemand vorhersehen, wann ich „Erfolge“ sehen würde. Für mich hieß es also aushalten und weitermachen in der Hoffnung, dass sich mein Körper (hoffentlich) irgendwann wieder erholt.
Und tatsächlich: Nach Jahren (nein, das ist kein Tippfehler, es waren leider keine Wochen oder Monate) habe ich dieses Jahr meine Periode wieder bekommen. Ein erstes Zeichen, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Enormes Glück hatte ich außerdem beim Thema Knochendichte. Trotz der langen Amenorrhoe ist diese im Normbereich und ich hatte in den ganzen Jahren mit hohem Trainingsumfang nur eine einzige Stressreaktion im Fuß. Was das Thema Training angeht bleibt es jedoch ein Drahtseilakt und ich stelle mir immer wieder die Frage: „War diese Belastung schon zu hart? Kann ich Training steigern oder muss ich vielleicht doch wieder ein paar Schritte zurückgehen? Kann ich überhaupt jemals wieder zum leistungsorientierten Sport zurückkommen?“. Auf diese Fragen kann mir niemand eine Antwort geben und es liegt bei mir Dinge auszuprobieren aber auch schnell zu handeln, wenn ich merke, dass ich auf dem falschen Weg bin.
Im Gespräch mit anderen Sportlerinnen, Freundinnen und bei meiner Eigenrecherche hat sich herausgestellt, dass das Thema ausbleibende Periode bei Sportlerinnen viel häufiger ein Problem ist, als man vielleicht denkt. Meistens sind damit auch die Themen Ernährung, Gewicht und unzureichende Energieaufnahme verbunden.
Unter diesem Beitrag habe ich daher einige Informationen aufgelistet, die aus meiner Sicht eine große Hilfestellung leisten.
Falls es unter den LeserInnen jemanden gibt, der/die zu diesem Thema Fragen hat oder sich einfach nur austauschen will, kann mich gerne ansprechen.
Auch ohne eigenen Marathon freue ich mich auf den Lauf-Herbst mit raschelnden Blättern, Läufen im Regen und Mitfiebern bei anderen AthletInnen und deren diversen Wettkämpfen.
Kontakt Sport-Gynäkologin: Dr. Susanne Weber (www.gynaekologie-und-sport.de)
Youtube Reihe „Menstruationzyklus und Sport“ von Laura Philipp (https://www.youtube.com/watch?v=inAv-xFqWg4)
Auch ihre Instagram Seite @laura_philipp_tri, in der viele Story Highlights zu anderen Podcasts oder dem Seed-Cycling zu finden sind
Buch „Roar“ von Dr. Stacy Sims (auf Englisch und Deutsch verfügbar)
Buch „No Period? Now what?“ von Dr. Nicola J. Rinaldi (Buch auf Englisch)
bestzeit.podcast Folge 67 (mit Simon Hoyden)
Wechselzone Podcast Folge 179 (mit Laura Philipp)
2 Beiträge von Yvonne van Vlerken im tri-mag
https://tri-mag.de/szene/yvonne-van-vlerken-spricht-uber-frauenthemen/
https://tri-mag.de/szene/yvonne-van-vlerken-ueber-die-bedeutung-des-weiblichen-zyklus-im-sport/
Beitrag von Lea Keim im Podium Magazin Ausgabe III (August 2020) bzw. auch weitere Infos auf ihrem Instagram-Account @lea.keim)