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Sportlerprofil by Larasch

Ein vollkommen perfekter Tag

Auf der Strecke zwischen Neuhaus und dem schönsten Ziel der Welt habe ich in diesem Jahr viele Dinge verloren: Frust, Enttäuschung, Unsicherheit und Zweifel (zum Glück keine Fußnägel, das ist für den Marathon nicht selbstverständlich). Im Gegenzug habe ich etwas ganz Wichtiges wiedergewonnen: mein Selbstvertrauen.

Bevor es dazu kommt, muss ich erst einmal meine Aufregung überwinden, die von Freitag bis Samstagmorgen kontinuierlich ansteigt. Zuerst kommt mir die letzte Stunde bis zum Start wie eine halbe Ewigkeit vor, dann geht alles ganz schnell: lautes Mitsingen beim Rennsteiglied, schwungvolles Schunkeln beim Schneewalzer und 3,2,1, START.

Start in Neuhaus

Von Beginn an rollt es (schneller als geplant) und die Anstiege auf der ersten Hälfte bereiten mir keine Schwierigkeiten. Das erste kleine Highlight dann bei KM 18: die Turmbaude in Masserberg. Zum einen warten mein Freund Stephan und sein Papa mit Gel und motivierenden Worten auf mich und zum anderen mag ich diese tolle traditionelle Verpflegungsstation mit den kleinen Holzhütten. So gestärkt stürzen wir uns in den berüchtigten Hohlweg. Zum Glück ist der Untergrund trotz Regen am Vortag nicht allzu rutschig und ich komme ohne größere Schwierigkeiten und ohne Sturz durch. Bei der Halbmarathon-Marke dann der Schock: viiiiiel zu schnell und damit deutlich unter der geplanten Durchgangszeit. Na hoffentlich bekomme ich dafür nicht noch die Quittung. Als hätten es die Beine gehört, rollt es auf den nächsten Kilometern nicht mehr ganz so gut. Zu dem Zeitpunkt traue ich mich schon nicht mehr auf meine Uhr zu schauen und laufe einfach „nach Gefühl“ weiter. Seit Masserberg ist Stephan mit dem Rad unterwegs und steht immer wieder an der Strecke um mich anzufeuern. Nächster Checkpoint: Verpflegung in Neustadt. Die kommt auch gerade richtig denn kurz darauf geht es in den fiesesten Anstieg der Strecke, den großen Burgberg. Mit der Taktik aus 2015 komme ich auch in diesem Jahr ganz gut hoch: wenn Laufen nicht mehr möglich ist, dann gehe ich den Rest eben hoch. Plötzlich sind es nur noch 10 Kilometer, das heißt eigentlich nur noch 9,9 und damit einstellig. Und dann kommt meine zweite Lieblingsstelle: der Mann mit der Drehorgel, der wieder das Rennsteiglied spielt als wir vorbeilaufen. Genau wie 2015! Und dann noch ein weiteres bekanntes Gesicht, das uns auf dem Rad entgegenkommt. Leider muss ich Martins Kommunikationsfreude unterbrechen denn zu diesem Zeitpunkt ist mir nicht mehr nach Unterhaltung zumute. Kurz vor Frauenwald wartet die letzte Verpflegungsstation und damit auch der (vor)letzte Anstieg auf uns. Uff, geschafft. Ich wage seit langer Zeit wieder einen Blick auf die Uhr und rechne… Stephan ruft mir zu: „Freundin, du überraschst mich immer wieder.“  „Nicht nur dich!“ denke ich mir und halte das Tempo so hoch wie noch möglich. Die letzten Kilometer fühlen sich irgendwie unwirklich an. Sollte es tatsächlich so werden wie 2015? Ja, denn das ist mein Rennen! Selbstzweifel adé.

In Schmiedefeld wartet die letzte Herausforderung auf mich, der Anstieg zum Sportplatz. Die Zuschauer an der Strecke geben sich große Mühe aber ohne ein paar letzte Gehschritte schaffe ich es heute nicht. Endlich bin ich oben. Nur noch zweimal links um die Kurve und da ist sie: die Zielgerade. Mein Grinsen geht nicht mehr aus dem Gesicht und wird noch größer, als ich auf die Uhr schaue. Wahnsinn, 2:54:00! Die sub 3 wollte ich erreichen aber damit habe ich selbst nicht gerechnet.

Zieleinlauf Rennsteigmarathon

Für den Rest des Tages übernehmen die Endorphine die Steuerung meines Körpers und auch jetzt, drei Tage nach dem Rennen bekomme ich eine Gänsehaut, wenn ich an die Ankunft im schönsten Ziel der Welt denke.

Nach dem Marathon ist vor dem Marathon und mit diesem „Frühjahrs-Kracher“ blicke ich optimistisch in Richtung Herbst. Bis der Rennsteig in wenigen Wochen wieder zum geliebten Staffellauf ruft bekommen Kopf und Körper nun aber erst einmal die verdiente Erholung.