„Never change a running system.“ - Im sportlichen Kontext ein oft gehörter Satz, der durchaus auch seine Berechtigung hat. Dennoch ist es nicht verboten Trainingsmethoden und -ansätze zu hinterfragen. Gerade im Leistungssport machen kleine Änderungen mehr aus als man denkt und können sich positiv als auch negativ auf die Leistung der Sportler auswirken. Ungeachtet dessen haben viele Athleten im Laufe ihrer Karriere viele Ratschläge und Empfehlungen bekommen um die sportliche Leistung zu optimieren. Über die Zeit entwickelt jeder eine bestimmte Routine in der Wettkampfvorbereitung, -einstimmung als auch -nachbereitung. Ob ich langsamer laufe oder mich sogar verletzte, wenn ich vor einem Wettkampf etwas an meinen eingespielten Abläufen umstelle? Eine Mutprobe, der ich bislang immer aus dem Weg gegangen bin - never change a running system!
In der vergangen Woche habe ich einen interessanten Beitrag zum Thema Cool down gelesen. Aus Sicht der Wissenschaft wird darin der Effektivität der Nachbereitung auf den Grund gegangen. Als Pendant zum warm up gehört selbstverständlich nach jedem intensiven Trainingseinheit oder Wettkampf ein entsprechendes warm down. Es liegt auf der Hand das sich die Professionalität eines Sportlers im Umgang mit Regeneration und Erholung widerspiegelt. Im Besonderen in der Leichtathletik gehört das Auslaufen zur gängigen Praxis. Doch helfen mir ein paar lockere Stadionrunden nach einem harten Training wirklich um mich morgen wieder leistungsfähig zu fühlen und langfristig weniger Verletzungen zu erleiden?
Die Metaanalyse des belgischen Sportwissenschaftlers Bas Van Hooren beurteilte die Einflüsse eines aktiven Cool-down auf verschiedene physiologische als auch psychologische Parameter [1]. Vom aktiven Cool-down durch leichte bis moderate Bewegung und Übungen ist das passive Cool-down durch beispielsweise Sauna, Massage oder auch Kältebad und Faszienrolle abzugrenzen. Einige Kernpunkte fand ich persönlich besonders spannend und möchte diese in diesem Rahmen kurz vorstellen.
Leistungsfähigkeit und Laktatabbau
Einleuchtend erscheint es, dass durch die Bewegung und Aktivierung des Körpers der Kreislauf angeregt sowie die Blutzirkulation unterstützt wird. Gerade bei anaeroben Trainingseinheiten wird vermehrt Laktat gebildet, welches im Zusammenhang mit der Ermüdung steht. Eine verstärkte Blutzirkulation trägt daher zu einem effektiveren Abtransport bei. Gegenüber passiver Nachbereitung, konnte durch ein aktives Cool-down eine schnellerer Abfall des Laktatspiegels und des pH-Wertes im Blut beobachtet werden. Die Relevanz dieser Ergebnisse ist dennoch fraglich, da kein verstärkter Abfall der Laktat-Werte in der Muskelmuskulatur gemessen wurde. Auf die Leistungsfähigkeit am selben oder am darauffolgenden Tag hat ein aktives Cool-down im Vergleich zum passiven Cool-down nach aktuellem Stand keinen zusätzlichen Einfluss. Ob es langfristig zu einer besseren Trainingsanpassung kommt wurde bisher nur in einer Studie untersucht [2]. Demnach hat eine Cool-down bestehen aus 15min moderatem Joggen keinen negativen Einfluss auf die Trainingsanpassung. Nach einem Beobachtungszeit von 4 Wochen konnte sogar eine erhöhte anaerobe Schwelle festgestellt werden, ohne jedoch die allgemeine Müdigkeit nach intensiven Belastungen zu reduzieren. Ob dieser Effekt tatsächlich auf die aktive Erholung zurückzuführen ist oder eher ein Benefit des generell erhöhte Trainingsvolumen darstellt, bleibt unklar.
Muskelkater
Auch Muskelkater ist ein bekannter Wegbegleiter im Sport. Inwieweit beeinflusst nun ein Auslaufen als Form der aktiven Nachbereitung die Entstehung dieser kleinen Muskelverletzungen? Zwar gibt es wenige Studien die Hinweise auf eine verminderte Ausprägung von Muskelkater aufzeigen, doch die Mehrzahl der Untersuchungen deutet auf keinen zusätzlichen Benefit des aktiven Cool-down hin. Vermutlich haben weitere Faktoren wie der Trainingszustand, die Trainingsintensität als auch die Dauer und das Zeitfenster der Nachbereitung einen Einfluss auf die Effektivität in der Prävention von Muskelkater. Ob trainierte Sportler im Gegensatz zu weniger Trainieren vielleicht von einem aktiven Cool-down in der Prävention von Muskelkater profitieren, lässt sich zum aktuellen Zeitpunkt nicht beantworten.
Glykogensynthese
Besonders wichtig für die Funktion und Leistung der Muskulatur ist die Synthese von Glykogen. Als Energieträger stellt Glykogen die Speicherform von Glucose dar. Für eine schnelle Erholung und Leistungsfähigkeit ist die Neubildung von Glykogen vor dem nächsten Training essentiell. In diesem Zusammenhang konnten einige Studien erstaunlicher Weise einen eher negativen Einfluss durch ein aktives Cool-down messen. Entscheidend scheint diesbezüglich die Dauer der Nachbereitung zu sein. Je länger die aktive Nachbereitung, desto größer der negative Einfluss auf die Glykogensynthese.
Immunsystem
Wie immer ist auch der Blick auf das Immunsystem für Leistungssportler von entschiedener Bedeutung. Das berühmte Open-window lässt an dieser Stelle wieder herzlich grüßen. Nach intensiven Belastungen kommt es zu einer Auslenkung der Immunzellen und somit zu einer erhöhten Infektanfälligkeit direkt nach der Belastung. Unmittelbar nach einem intensiven Training schient ein aktives Cool-down diese Auslenkung zu reduzieren und ein Abfall der weißen Blutzellen zu reduzieren. Jedoch zeigte sich 2 Stunden nach dem Training kein Unterschied zu einem passiven Cool-down. Ob der anfängliche Effekt somit zu einer verminderten Infektanfälligkeit beiträgt, lässt sich somit abschließend noch nicht beurteilen. Einen Nachteil durch ein aktives Cool-down auf die Funktionsweise des Immunsystems kann gegenwärtig jedoch ausgeschlossen werden.
Verletzungen
Neben der Krankheitsverhütung liegt auch auf der Verletzungsprävention ein verstärktes Augenmerk bei aktiven Sportlern. Mehrere Untersuchungen bei Läufern und Triathleten fanden keinen zusätzlich positiven Einfluss des aktiven Cool-down. Vermutlich wäre es auch zu trivial mit solch „primitiven“ Methoden verletzungsfrei zu bleiben.
Psychologische Effekte
Sportler gehören zu einer Gruppe von Menschen die intensiv in ihren Körper hinein hören und daher nimmt auch die Selbstwahrnehmung einen Einfluss auf die Effektivität des aktiven Cool-down. Obwohl die aktuelle Datenlage eher gegen ein Benefit des aktiven Cool-down spricht, ist es bei den meisten Athleten fester Bestandteil im Training. Nach einer intensiven Belastung assoziiert man mit einem Cool-down immer auch eine Erholung, Gemeinschaft und Geselligkeit. Ebenfalls dient dieser Zeitpunkt der (Selbst-)Reflexion des Trainings. In diesem Zusammenhang sollte der Placeboeffekt diskutiert und nicht ungeachtet bleiben. Die allgegenwärtige Routine, das Vormachen durch Vorbilder oder der generellen Glauben können einen positiven Einfluss auf eine mentale Erholung nehmen. Allein die Wahrnehmung der Effektivität einer Erholungsmaßnahme kann daher einen Einfluss auf dessen Benefit haben.
Unterm Strich
Bei allen Fakten ist es wichtig zu wissen, dass hier der isolierte Einfluss des aktiven Cool-down untersucht wurde. In der Praxis beinhaltet eine sinnvolle Nachbereitung vermutlich eine Kombination mehrere Elemente (mit Ergänzung von z. B. Faszienrolle, Eisbad, Massage, etc.). Ungeachtet dessen gilt es zu beachten, dass einige Ergebnisse nicht im leistungssportlichen Kontext erhoben wurden und ein Transfer auf diese Sportlergruppe daher nicht zwangsläufig vorgenommen werden kann.
Übersicht active cool-down. Mit freundlicher Genehmigung von YLM Sport Science
Fazit
In der Übersicht von YLM Sport Science sind abschließend noch einmal alle Ergebnisse des aktiven Cool-down dargestellt. Einen positiven Einfluss scheint ein aktives Cool-down derzeit nur auf den Abbau des Laktat im Blut, die belastungsinduzierte Auslenkung des Immunsystems sowie die langfristige Trainingsanpassung zu haben.
Trotz der vielen Parameter, bei denen kein Vorteil des aktiven Cool-down gegenüber dem passiven nachgewiesen wurde, hat die aktive Nachbereitung einen festen Platz in vielen Trainingsplänen. Einen goldenen Weg des Cool-down gibt es sicherlich nicht. Dennoch soll dieser Beitrag einen Denkanstoß geben um die eigenen Routinen zu hinterfragen. In Zukunft sollte es also nicht mehr „Never change a running system“ sondern „Improve a running system“ heißen.
Bibliografie
1. Van Hooren, B. and J.M. Peake, Do We Need a Cool-Down After Exercise? A Narrative Review of the Psychophysiological Effects and the Effects on Performance, Injuries and the Long-Term Adaptive Response. Sports Med, 2018. 48(7): p. 1575-1595.
2. Wiewelhove, T., et al., Active Recovery After High-Intensity Interval-Training Does Not Attenuate Training Adaptation. Frontiers in physiology, 2018. 9: p. 415-415.