„Schmerzen hast du im Kopf!“, pflegte unser Lauftrainer zu sagen und spielte damit regelmäßig auf einen elementaren Punkt im Ausdauersport an: Du kannst nur gut sein, wenn dein Kopf es auch will. Bei zwei gleich trainierten Athleten gewinnt der, der den meisten „Biss“ hat. Je länger die Strecke im Wettkampf, desto bedeutender die mentale Stärke. Oder wie auch der aktuelle Marathon Weltrekordhalter Eliud Kipchoge oft betont: „Der Kopf entscheidet“!
Klar ist eine gewissen körperliche Fitness die Voraussetzung für ein gutes Rennen. Im Gegensatz zum 400m Lauf sind wir auf der Langstrecke im Triathlon über einige Stunden mit uns und unserem Innersten beschäftigt, müssen Tiefpunkte überwinden, den Kampf aufrecht erhalten, eben das macht ja irgendwo den Reiz der Sache aus. Der Sieg Kopf über Körper, das, was man alles aus sich herausholen kann, wenn man es nur will, ist Teil des Mythos Triathlon.
Natürlich können wir uns – auch als sehr ambitionierte Hobbysportler – nicht mit den Profis vergleichen. Unsere Motivation ist eine andere, wir verdienen kein Geld damit und sahnen höchstens mal irgendwo einen Preis ab, wenn es gut läuft. Dennoch stehen manche vor Wettkämpfen so sehr unter Druck, dass sie im Rennen ihre Leistung nicht abrufen können. Wenn man so angespannt ist, dass Training und Wettkämpfe negativen Stress auslösen, sollte man sich dringend die Lockerheit zurück ins Boot holen. Hauptantrieb sollte der eigene Wille sein, der uns motiviert, zu trainieren und unser Bestes im Wettkampf abzurufen. Hier ein paar Tipps für mentale Stärke:
Tipp 1: Love it or leave it. Wir haben uns das Hobby „Triathlon“ selbst ausgesucht und betreiben es freiwillig, was bedeutet, dass wir damit einen großen Teil unserer Freizeit füllen und das sollten wir gerne tun. Der beste Hauptmotor für die Motivation zum Training und Wettkampf ist Leidenschaft für die Sache. Im Wort „Leidenschaft“ streckt das Verb „leiden“: natürlich kann das alles auch mal anstrengend und quälend sein. Auf den letzten Kilometern eines langen Wettkampfs habe auch ich mich schon mal gefragt, was zur Hölle ich mir hier eigentlich gerade antue ;o) und ja, nicht auf jedes harte Training habe ich Lust, oft bin ich dann aber spätesten danach happy und zufrieden. Man ist am Besten in etwas, auf das man richtig Bock hat. Wenn Triathlon aber zu Stress wird und man sich allzu oft zwingen muss, sein Training durchzuziehen, sollte man sich vielleicht eine Pause verordnen oder sich - bei andauernder Unlust – eventuell besser eine andere Sportart suchen.
Tipp 2: Definiere dich nicht allzu sehr über deine Leistungen. Wegen einer nicht erreichten Zielzeit den Rest des Tages oder gar länger schlecht gelaunt zu sein, finde ich für die Person traurig. Du bist nicht nur Triathlet mit Zielzeit, dich und deine Persönlichkeit zeichnet ganz sicher viel mehr aus. Ich war nie ein Fan von Zielzeiten, was damit zusammenhängen mag, dass ich grundsätzlich kein Zahlenmensch bin. Sich nicht allzu sehr damit zu beschäftigen, wie schnell man wohl gerade ist, bringt eine gewisse Lockerheit (auch im Training) und hat den schönen Nebeneffekt, dass man sich mit persönlichen Bestzeiten überraschen und sich über diese sehr freuen kann.
Tipp 3: Mach dein eigenes Ding! Im Hobbysport geht es selten um die Weltmeisterschaft, dennoch hat man manchmal das Gefühl, das wäre der Fall. Gerade im Ausdauersport zählt doch der Kampf mit sich selbst. Warum schauen dann so viele nach den anderen und entwickeln Konkurrenzgefühle? Du hattest ein super Rennen mit einem für dich eigentlich guten Ergebnis, aber XY war vor dir und deswegen bist du nicht zufrieden? Traurig für dich, also mach dich dringend von davon frei. Nur weil ein anderer schneller war als du, macht das deine Leistung nicht schlechter.
Tipp 4: Es ist nicht wichtig, was andere denken könnten. Erst einmal ist relevant, dass du mit dir zufrieden bist, denn das kann dir keiner nehmen. Es ist erleichternd, sich nicht mit den Gedanken darüber zu befassen, was andere von einem alles (negatives) denken könnten. Da man in andere Köpfe eben nicht reingucken und deren Gedanken eh nicht lesen kann, ist es so oder so verschwendete Energie. Du allein bestimmst, ob du mit dir und deinem Wettkampf oder deinem Training zu frieden bist. Starte auch mal irgendwo, auch wenn du nicht in Topform bist und lasse dumme Kommentare zu deiner Zeit an dir abprallen.
Tipp 5: Deine Wahrnehmung bestimmt deine Realität! Wir Menschen sind im Gegensatz zu Tieren dazu in der Lage, unsere Gefühle und Gedanken selbst wahrzunehmen. Die Gabe der Selbstwahrnehmung kann im Sport sehr nützlich sein: Gefühle, die während oder vor einem Wettkampf aufkommen, können wir erkennen und gedanklich steuern. Wie wir auf diese dann reagieren, haben wir selbst in der Hand. Ich merke, wie ich anfange, mich auf der Radstrecke über die Lutscher-Gruppen zu ärgern, die scheinbar die Mitteldistanz hier mit einer RTF – Fahrt verwechseln, bevor ich aber deswegen Bauchschmerzen bekomme, dränge ich den Ärger weg, versuche es mit Humor zu nehmen und bleibe locker. Im Idealfall sammelt man die dann beim Laufen später ein und freut sich drüber ;o) Humor hilft ja bekanntlich allgemein im Leben, die Dinge nicht zu ernst zu nehmen und eben nicht zu verkrampfen.
Tipp 6: Nutze die Kraft der Vorstellung und bleibe optimistisch! „Umgucken verboten!“, hieß es vom Lauftrainer immer, was bedeutet, dass man sich während eines Wettkampfs nach vorne und nicht nach hinten orientieren soll. Also die vor einem Laufenden jagen, anstatt sich zu sorgen, wer da alles von hinten kommen könnte. Es hilft ungemein, sich mental selbst zu pushen und einen unterstützenden „inneren Wettkampfmonolog“ zu führen. Feuere dich selbst an und überlege dir (am besten schon vor dem Rennen) Themen, die dich motivieren und die du dann, wenn es spätestens auf der Laufstrecke hart wird, abrufen kannst. Das tolle Gefühl beim Zieleinlauf, das vereinbarte Pizza-Date am Abend, die guten Trainingseinheiten oder Gedanken an deine Freunde und Familie. Auch Musik ist eine gute Motivationsquelle, im Idealfall passt der Takt zum Laufschritt. Sich eine Art Playlist für die Marathonstrecke zu überlegen oder zumindest einzelne Songs im Petto zu haben, die man dann als Ohrwurm innerlich abspielt, ist immer gut, um sich bei Laune zu halten. „Locker bleiben“ von den Fantastischen 4 zum Beispiel ;o)
Tipp 7: Hole dir Unterstützung und habe ein Team! Auch wenn nicht jeder aus deinem Freundes- und Familienkreis Fan deiner Triathlon-Ambitionen ist, hol dir die an den Streckenrand, die ansatzweise Lust dazu haben, sich die Quälerei anzugucken und dich anzufeuern. Du kannst dich auf deine Unterstützer im Ziel freuen und sie können deine Gedanken ans Aufhören in Luft auflösen, denn, hey, deine Truppe ist hier extra für dich angereist, da wirst du ja wohl nicht schlapp machen. Trainingspartner und Freunde, mit denen du zusammen trainieren und dich gegenseitig pushen kannst, sind ebenfalls Gold wert. Sportlerglück verdoppelt sich, wenn man es teilt :o)
Die unter Triathleten verbreitete Devise „DNF is no option“/“Aufgeben ist keine Option“ ist kennzeichnend für mentale Stärke. Selbst wenn ein Rennen richtig mies läuft, wollen wir es ins Ziel bringen. Steigt man einmal aus, ist die Gefahr, es immer wieder zu tun größer, als wenn man sich durchgequält hat. Wobei gesundheitliche Probleme eine Ausnahme bilden und man da natürlich besser einen Wettkampf frühzeitig beendet, anstatt langfristige Schäden davon zu tragen.
Übrigens fällt mir im Triathlon zum Thema „Lockerheit“ immer sofort Faris Al Sultan ein, wie er in seiner Badehose 2005 den Ironman Hawaii gewann. Dessen flapsige Sprüche und auch seine Einstellung zum Thema Ernährung damals fand ich super (Thema Ernährung folgt im nächsten Teil). Also behaltet bei all dem Optimierungswahnsinn die Lockerheit bei und freut euch des Lebens…und des Triathlons :o)!
Literaturtipp: Covey, Stephen R. (2018): Die 7 Wege zur Effektivität. Prinzipien für persönlichen und beruflichen Erfolg. GABAL Verlag GmbH, Offenbach