Sehnsüchtig und ja, man könnte fast sagen, leicht verliebt, werfe ich einen Blick auf mein Triathlonrad, das ich mir im Herbst 2019, nach meiner ersten Langdistanz gekauft habe. Es hat das Jahr 2020 ungebraucht im Keller verbracht.
Na du kleines Cerveló, sollte wohl nicht sein mit uns und dem Ironman Frankfurt 2020. Und sorry, aber dieses Jahr, 2021, wird es auch nix. Wobei es mir nicht wirklich leid tut, denn aufgeschoben heißt nicht aufgehoben und wir zwei werden eines Tages über die Straßen Frankfurts brettern, versprochen! Der Grund, warum dieses Jahr auch nichts aus uns wird, ist ein wunderschöner: Ich bin im fünften Monat schwanger und trage eine langsam immer größer werdende und nicht mehr zu verbergende Kugel vor mir her, die ein Rad fahren in Aeroposition unmöglich macht. Also wirst du noch einige Zeit ungebraucht an der Wand lehnen müssen, denn auch auf der Rolle einspannen werde ich dich nicht. Erst wenn die Kugel weg ist, voraussichtlich Ende Mai, dann können wir zwei uns langsam annähern. Dann werden wir auch irgendwann den Termin fürs Bike Fitting nachholen, der wie so Vieles wegen Corona abgesagt werden musste.
Seit wir von der Schwangerschaft wissen, ist Corona für uns zur Nebensache geworden. Einen kleinen Menschen in mir heranwachsen zu spüren, lässt mich auf Wolke sieben schweben und allen Ärger vergessen. Die zahlreichen Absagen von Wettkämpfen, die auch jetzt schon für die kommende Saison eintrudeln, könnten mir nicht egaler sein. „Perfekte Zeit, du verpasst nix!“, sagen mir meine Sport-Freunde und ich denke mir, ja, für uns ist es wirklich die perfekte Zeit. Auch mein Mann ist voller Vorfreude und da es unser erstes Kind ist, ist alles neu und spannend. Ich bin sehr dankbar dafür, dass unser „Plan“ so aufgegangen ist und ich trotz meines nicht mehr ganz so zarten Alters relativ schnell schwanger geworden bin. Mir ist klar, dass das nicht selbstverständlich ist und dass schwanger werden, auch wenn es „Familienplanung“ heißt, eines der Dinge im Leben ist, die man eigentlich nicht wirklich planen kann. Ein kleines Wunder eben, das wir glücklich zu schätzen wissen.
„Die Schwangerschaft wird jetzt dein zweiter Ironman“, die Worte meiner Hebamme finden bei meinem Triathletinnen-Herzen großen Anklang. Genauso werde ich das Ganze angehen. Bisher läuft alles recht leicht. Die 3,8km Schwimmen im Langener Waldsee und die Radstrecke – zumindest ohne den Rad Defekt – waren ja auch noch sehr entspannt. Weh tat erst der Marathon – und der liegt in Form der letzten Monate und der Geburt wohl noch vor mir. Natürlich merke ich die Umstellung in meinem Körper, die habe ich gleich zu Beginn der Schwangerschaft, also schon in den ersten Wochen gespürt, und zwar in Form von Kurzatmigkeit.
Ich kann mich gut an eine Radausfahrt mit unserem Verein erinnern, wo ich zwar schon wusste, dass ich schwanger war, es mir aber noch überhaupt nicht anzusehen war. Ok Lea, sagte ich mir, in der schnellsten Gruppe musst du nun heute nicht mitfahren. Also sortierte ich mich in Gruppe zwei ein und musste dann miterleben, wie an jedem Anstieg alle, inklusive der mitfahrenden Frauen, an mir vorbeizogen, während ich im Berg gefühlt stehen blieb. Das war, als hätte man mir den Stecker gezogen. Kein Saft in den Beinen, Puls hoch. Normalerweise sind Berge meine Stärke, weil ich klein und leicht bin. Aber davon war ab diesem Tag nichts mehr zu spüren. Ich ärgerte mich aber nicht, denn ich kannte ja den Grund für meine fehlende Fitness und nahm sie dafür gerne in Kauf. „Leicht“ werde ich in nicht allzu ferner Zukunft auch nicht mehr sein, vorbei die Zeiten als Berg Floh ;o) Ich erobere mir übrigens grad schon so nach und nach meine Finisher Shirts zurück, die ich alle aufgrund von „zu groß“ an meinen Mann abgetreten hatte. Langsam aber sicher wächst die Kugel da rein und ich finde es super, dass ich zumindest bei T Shirts nicht in Umstands – Sportmode investieren muss und freue mich schon auf den Sommer, wo ich mit meinen ganzen gefinishten Läufen und Triathlons auf der Brust endlich auch mal angeben kann ;o)
Dass da nicht mehr aller Sauerstoff bei meinen Muskeln ankommt, sondern unterwegs irgendwo „abgezapft“ wird, das spürte ich also gleich zu Beginn meiner Schwangerschaft. Dafür hatte ich in den ersten drei Monat nicht so sehr mit Übelkeit zu kämpfen. Mir war lediglich etwas mulmig im Magen, sobald ich Hunger verspürte und ich war ungewöhnlich oft hungrig. Solange ich meinen „Futterbeutel“, eine Tüte mit Keksen oder Salzstangen, dabei hatte und immer essen konnte, wenn der Bedarf da war, ging es mir sehr gut. Im Urlaub hab ich in dieser Zeit noch eine 100km Rennrad Tour gemacht, relativ flach und ausschließlich im Windschatten, muss dazu gesagt werden. Beim Laufen war die Kurzatmigkeit ähnlich schlimm wie bei den Berganfahrten, sodass ich mich anfangs auf 20-30 Minuten Jogging beschränkt habe. Nach den ersten drei Monaten kam eine kurze Phase, in der ich mehr Luft für mich hatte. Aber dann, in Monat vier, fingen die Wachstumsschübe des Winzlings an. Da lief es dann sehr nach Tagesform, mal gut und mal schnaufig und schwer. Was man als werdende Mama, die aus dem Leistungssport kommt lernen muss, ist das schlappe Gefühl so zu akzeptieren, wie es ist und das dann auch nicht schlimm zu finden. Es gibt dann halt auch mal ne Gehpause während der Dauerläufe, vor allem bergauf. Auch richtig lang laufe ich nicht mehr. Zwei bis drei Stunden auf dem Rad sind kein Problem und beim Laufen schnüre ich mir auch mal für nur 5km die Schuhe, was vorher fast nie vorgekommen ist ;o) Ich laufe aktuell 2 – 3 x pro Woche maximal 60 bis 70 Minuten. Das reicht mir und so ist die Belastung für die Sehnen und Bänder auch nicht zu hoch.
Zum Thema „Ausdauersport in der Schwangerschaft“ findet man eher wenig Information. Während meiner Recherchen freue ich mich über jeden Blogbeitrag von Triathletinnen, die aus ihrer Schwangerschaft und dem Fortführen ihrer sportlichen Aktivitäten berichten. „Gehen Sie jeden Tag 30 Minuten spazieren“ aus den üblichen Schwangerschaftsratgebern können wir Triathletinnen jedenfalls in die Tonne kloppen. Man kann das machen, was man auch vorher gemacht hat, in reduzierter Form. Würde ich jetzt komplett zurückschrauben, würde mein Herz-Kreislauf-System damit gar nicht klar kommen und mein Kopf auch nicht. Das Baby soll doch in einem gesunden Körper heranwachsen :o) Beim Ausdauertraining mach ich halt weniger Umfang und nur noch locker. Im Yoga und Krafttraining lasse ich alle Übungen, bei denen die Bauchmuskulatur beansprucht wird weg – was ich am wenigsten schlimm finde, denn Bauchmuskeltraining war nie meine Leidenschaft ;o) Viel im Schneidersitz sitzen soll gut sein für die Dehnung der Hüfte, die bei uns Triathletinnen durchs Rad fahren oft verkürzt ist.
Klar ist jedenfalls: Mein neues Triathlon Rädchen wird nicht verkauft, ich bin mit der Langdistanz noch nicht fertig und kann mir nicht vorstellen, den Wettkampfsport an den Nagel zu hängen. Aber ich möchte zugleich natürlich auch das Beste für mein Baby und da wird Sport und Training nicht oberste Priorität haben. Trotzdem will ich fit und gesund durch die Schwangerschaft kommen, auch weil ich mich trotz wachsender Kugel weiterhin wohl in meinem Körper fühlen möchte.
Schwimmen wäre DIE ideale Sportart während der Schwangerschaft und es ärgert mich schon, dass die Schwimmhallen zu haben. Ich habe immer gedacht, dass ich an meiner Schwimmschwäche arbeiten würde, wenn ich eines Tages schwanger wäre, aber der Plan geht grad nicht auf. Man kann nicht alles haben.
Für das Rad fahren nutze ich mein Mountainbike, weil ich da sehr angenehm – aufrechte sitze, sodass der Bauch nicht im Weg ist. Trägerhosen sind hier die Klamotte der Wahl, weil jeder Bund, der den Bauch einschnürt, wirklich sehr unangenehm ist. Außerdem kann man mit dem MTB durch den vom Autoverkehr befreiten Wald fahren, was für Schwangere aus mehreren Gründen optimal ist: Keine Unfallgefahr durch Autos, gute Luft, schöne Natur. Jetzt im Winter schützen die Bäume vor dem eisigen Wind, sodass man nicht so leicht auskühlt. Die krassen Trails und Abfahrten lasse ich natürlich weg, weil ich keinen Sturz riskieren möchte. Waldautobahnen rauf und runter reichen :o)
Dass Ausdauersport für das ungeborene Baby im Bauch gesund ist, scheint mittlerweile unumstritten zu sein. Das Baby trainiert im Bauch mit. Trainiert Mami ihr Herz-Kreislauf-System, so wird auch das mini-kleine Herz-Kreislauf-System des Babys mit durchblutet, das kleine Herz trainiert und mehr Sauerstoff durch den Körper gepumpt.
Ich möchte es in der Schwangerschaft aber auch nicht übertreiben und denke, dass das die falsche Zeit ist, um von richtigem Training zu sprechen, sondern wo es definitiv darauf ankommt, auf sein Körpergefühl zu hören und entspannt zu bleiben. Ich manage das so, dass ich grundsätzlich im Wohlfühltempo unterwegs bin. Solange man noch ohne Luftprobleme reden kann, ist das Tempo auf jeden Fall locker genug.
Da habe ich großes Glück, dass meine Freundin und Trainingskollegin, mit der ich eigentlich in Frankfurt beim Ironman starten wollte, ebenfalls schwanger ist. Quatschend rollen wir auf unseren Mountainbikes durch die Wälder. Wichtig für das kleine Lebewesen im Bauch ist es, dass Mami nicht in ein Energiedefizit gerät. Also regelmäßig essen, trinken und einen Hungerast unbedingt vermeiden. Man muss jetzt immer an zwei denken und das im Leistungssport gelernte über die Grenzen gehen gilt es auszuschalten. Schwangerschaft bedeutet Selbstfürsorge hoch hundert. Und auch wenn vieles, was in der Zukunft liegt ungewiss ist, sind wir uns in einem einig: Wir haben das Allerbeste aus dieser seltsamen Corona - Zeit herausgeholt und freuen uns schon auf das Triathlon-Leben mit Familie :o)