Im Larasch-Interview äußert er sich über Hintergründe und gibt sehr tiefgründige Einblicke in seine Gefühlswelt.
Hendrik, Deine Berlin-Absage aufgrund von erneuten Fersen-Beschwerden kam für viele doch sehr überraschend: Seit wann haben sich die Probleme angedeutet?
Hendrik Pfeiffer: Es war ein schleichender Prozess. Auch in der noch recht erfolgreichen Saison im Vorjahr, in der ich mich für die EM qualifiziert habe, hatte ich schon mit großen Schmerzen zu kämpfen. Ich habe diese aber als Opfer, das ich bringen muss, akzeptiert. Ich hatte dabei nämlich im Hinterkopf, dass die Ferse meine Sollbruchstelle ist und deswegen immer gewisse Probleme bereitet. Ich stand dabei natürlich auch unter dem Druck, nach dem Olympia-Aus wieder Resultate zu liefern. Das ging auch bis in dieses Jahr hinein gut, aber im April und Mai trat dann eine deutliche Verschlechterung ein. Auch psychisch habe ich unter den permanenten Schmerzen gelitten, was sich dann wiederum auf die physische Gesundheit zurückwirkt.
Was geht im eigenen Kopf vor, wenn man zum ersten Mal realisiert, dass erneut ein wichtiges Karriere-Highlight durch Verletzungsschwierigkeiten auf dem Spiel steht?
Machen wir uns nichts vor: Es ist ein absoluter Alptraum. Spätestens seit ich den Düsseldorf Marathon verpasst hatte, war ich mental am Ende. Das dritte Großereignis trotz Normerfüllung zu verpassen und bereits nominiert zu sein, ist so ziemlich das schlimmste vorstellbare Szenario. Ich habe zu Hause immer noch den Koffer mit den Olympiasachen ungeöffnet herumstehen. Es wäre einfacher zu verarbeiten, wenn man gar nicht erst die Quali geschafft hätte, denn so fühlt es sich an, als würde einem etwas weggenommen werden, das man sich eigentlich mühsam verdient hat.
Bist du in solchen Situationen aufgrund der Erfahrungen vor zwei Jahren besonders besorgt, vielleicht sogar panisch?
Eher resigniert, da ich innerhalb der vergangenen Jahre unheimlich viel in diverse medizinische Behandlungen investiert habe. Man hadert schon enorm mit dem Schicksal, das es einen schon wieder zum schlimmsten Zeitpunkt trifft. Die Probleme hätten ja auch schon letztes Jahr oder erst nach der EM in diesem Maße auftreten können – und nicht wieder genau vor dem Großereignis.
Handelt es sich um exakt dieselbe Verletzung wie vor Rio 2016?
Die Symptome sind praktisch identisch, nur, dass diesmal eher die Innenseite der rechten Achillesferse betroffen ist. Deswegen wird auch die damals erfolgreich verlaufene Operation wieder ähnlich sein. Der Unterschied ist, dass wir jetzt endlich rekonstruieren konnten, wieso die Probleme wiederkamen. Das hängt viel mit der Statik des Körpers zusammen und hat seinen Ursprung gar nicht im Fuß. Die Knochenanlagerung an der Ferse ist lediglich das Symptom falsch geleiteter mechanischer Belastung. Mit Michael Möller und Dr. Arne Nagel habe ich in Münster Partner gefunden, mit denen ich endlich die Ursachen bekämpfen kann und nicht mehr nur den Symptomen nachjage.
Halbmarathon DM 2018 in Hannover
Welches Gefühl überwiegt bei Dir so kurz nach der öffentlichen Absage für die EM?
Die Phase der tiefen Trauer hatte ich zum Zeitpunkt der Veröffentlichung schon überstanden. Vor allem der neue biomechanische Ansatz mit der Korrektur der Fuß- und Beinstellung und Kräftigung der Muskulatur im Hüftbereich stimmt mich zuversichtlich. Außerdem habe ich mit Dr. Thermann, der die Operation durchführen wird, und Dr. Falarzik zwei exzellente Ärzte an meiner Seite und in Person von Johannes Eisinger einen engen Freund, bei dem ich die Reha machen kann. Medizinisch bin ich also sehr gut aufgestellt und gehe davon aus, dass ich in der kommende Saison endlich schmerzfrei in Richtung Olympia gehen kann. Ich bin bisher zwei Marathons gelaufen und kam in beiden Fällen mit einer 2:13er-Zeit ins Ziel – war dabei aber nie beschwerdefrei. Ich denke, dass ich ohne das alte Handicap und die dadurch entstandenen Kompromisse im Training deutlich schneller werden kann und stehe nach wie vor zu meinem Karriereziel, die 2:10-Marke zu erreichen.
Außerdem empfinde ich aber auch gerade in dieser schweren Phase Dankbarkeit, dass mein Umfeld so toll zu mir hält. Das reicht neben dem eben beschriebenen medizinischen Team von meiner Familie über die Bundestrainer, meinen Verein, die Trainingsgruppe, Partnern wie larasch.de, TMX Trigger und dem Köln Marathon bis hin zu einer überwältigenden Resonanz auf meinen Social-Media-Kanälen. Mir haben hunderte Leute privat geschrieben und noch mehr haben Anteil an der Situation genommen. Das bestärkt mich enorm darin, den Weg Richtung Tokio einzuschlagen und ich möchte den Menschen zeigen, dass es sich lohnt, zu kämpfen und nicht mit seinem Schicksal zu hadern. Mit 25 Jahren sollte eine vielversprechende Marathon-Karriere nicht enden!
Möchtest Du in Berlin am 12. August trotzdem an der Strecke stehen?
Ich denke, dass ich vor Ort sein werde – allein schon um meine bärenstarke Trainingsgruppe anfeuern zu können. Mit Tom Gröschel, Marius Probst, Amanal Petros und Laura Hottenrott trainieren nämlich noch viele weitere Normerfüller bei meinem Coach Tono Kirschbaum. Außerdem will ich dabei sein, wenn unser Marathonteam die Teammedaille gewinnt!
Hängst Du in solchen Situationen mit deinen Gedanken dann eher der Vergangenheit nach, beschäftigst du dich mit dem (eher unangenehmen) Jetzt oder bist du mit dem Kopf schon in der Zukunft?
Gerade jetzt wird mir wieder deutlich, wie wichtig ein zweites Standbein ist: Ich werde mich jetzt verstärkt bei meinem Arbeitgeber Klöckner & Co engagieren und meine duale Karriere vorantreiben. Auch in der Uni gibt es einiges zu erledigen und ich habe noch andere spannende geschäftliche Projekte, die Sport und Business vereinen. Im Juli stecke ich dann auch schon in der Reha in Herxheim und auch das ist harte Arbeit, denn ich will mich optimal in Form halten, soweit es der Genesungsprozess zulässt.
Mit welchem Ziel motivierst du dich dann während der Reha für den Neustart nach der Verletzungspause?
Ganz klares Ziel: Tokio 2020. Alles andere ist irrelevant.
Du wirst dich zuvor aber wie erwähnt einer weiteren Operation unterziehen müssen. Wann wird es so weit sein und wie kompliziert wird der Eingriff?
Die Operation findet am 28.06. in Mosbach bei Dr. Thermann statt. Dort wurde auch Julian Flügel vor kurzem operiert. Mein Vorteil ist, dass ich den Prozess jetzt bereits kenne, da die Operation so schon vor 2 Jahren bei mir durchgeführt wurde. Ich weiß, was auf mich zukommt und kann mich darauf einstellen, was wiederum meiner Genesung in die Karten spielen wird. Die Kunst beim Eingriff ist, dass man nicht zu viel und auch nicht zu wenig Knochengewebe entfernt. Mit Dr. Thermann habe ich da aber einen der führenden Ärzte in Deutschland an meiner Seite, der sich zudem enorm für mich einsetzt. So werden mir einige Kosten erspart und ich habe sehr zeitnah einen OP-Termin bei ihm bekommen. Auch im Vorfeld hatte er mich schon – genauso wie Dr. Falarzik und Johannes Eisinger – enorm unterstützt, immer mit dem großen Ziel, mich nach Tokio zu bringen.
Was machst du noch bis zum Operationstermin?
Ich habe einige berufliche Verpflichtungen und werde verstärkt bei Klöckner arbeiten. Allerdings gönne ich mir einen viertägigen Trip unter anderem mit Tobias Blum nach Lanzarote, um aus dieser unangenehmen Situation für einige Tage ausbrechen zu können.
Das Wichtigste zum Schluss: Ab wann können wir uns Hoffnungen machen, dich wieder laufend zu erleben?
2016 fand meine Operation im August statt und ich bin Anfang Januar wieder ins echte Lauftraining eingestiegen. Tendenziell werde ich mir mit dem Laufen diesmal etwas mehr Zeit lassen. Aber der Trainingsalltag beginnt schon wenige Tage nach der OP: Ich werde viel mit dem Alter-G-Laufband in Herxheim und Spinning-Bikes arbeiten, außerdem steht Aquajogging sowie Schwimmen auf dem Plan.
Lieber Hendrik, wir wünschen Dir viel Kraft und Durchhaltevermögen für die kommende Zeit und drücken Dir am 28. Juni all unsere Daumen für die OP!
Du möchtest Hendrik auf seinen weiteren Karriereweg unterstützen? Dann schau dir sein Angebot an!
Im Interview vor der Halbmarathon DM 2018