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Sportlerprofil by Larasch

Für 48 Stunden in einer anderen Welt - Hannover Halbmarathon

Wozu machst du diesen ganzen Sport eigentlich? – diese Frage wird mir immer wieder gestellt. Keine finanzielle Sicherheit, ein lang gezogenes Studium und wenig Freizeit sind sicherlich bedeutende Argumente, die nicht dafürsprechen, bis zu acht Stunden am Tag dem Sport zu widmen. Frühes zu Bett Gehen und keinen Alkohol inklusive. Es sind Momente wie vor kurzem beim Hannover Marathon oder in Trainingslagern in Kenia und Flagstaff, die mir mehr zurückgeben, als mir genommen werden kann. Derart intensive Gefühle, wie beispielsweise beim langersehnten Comeback meine erste DM-Medaille bei den Erwachsenen zu gewinnen, beim Marathon-Debüt die Olympianorm zu erfüllen oder am Rande des Grand Canyons mit meinen Teamkollegen an großen Träumen zu arbeiten, kann einem nur der Sport geben. Natürlich zeigt er auch gerne mal seine hässliche Fratze, wenn Verletzungen große Ziele verhindern, aber ich persönlich zehre viel stärker von den positiven Erlebnissen, als ich unter den Rückschlägen leide.

Zugegeben: Das war im letzten Fall nicht leicht. Erst bei der EM aussteigen zu müssen, Olympia zu verpassen und dann auch noch um die gesamte Karriere bangen zu müssen - das stellte mich auf eine harte Probe. Umso glücklicher bin ich, dass ich beim Halbmarathon-Comeback auch mit einigem Trainingsrückstand schon wieder in die deutsche Spitze laufen konnte und die Zeichen auf dem Weg zur EM 2018 im eigenen Land wieder gut stehen.

 

Doch auch hier ist das nackte Ergebnis nicht alles: An solchen Wettkampfwochenenden tauchen wir Athleten in eine Parallelwelt ein, die mit dem Alltag kaum noch was zu tun hat. Vor allem bei Meisterschaften kommen wir aus allen Ecken der Republik und teilweise sogar aus dem Ausland zusammen und das ist toll. Denn kaum eine Szene ist solch ein verschworener Haufen wie die Läufer. Vor allem auf den Langstrecken beinhaltet das Training so viel Quälerei, dass jedes Konkurrenzgefühl vor dem Startschuss und nach dem Zieleinlauf in den meisten Fällen total in den Hintergrund tritt. Ab einem gewissen Level kennt wirklich jeder jeden, wozu vor allem die großen Trainingslager beitragen und das gemeinsame Abspulen der großen Trainingsumfänge schweißt zusammen. Solche Wettkämpfe bieten tolle Gelegenheiten für große Wiedersehen und das macht Spaß: Sei es mein alter Teamkollege Jan Fitschen als TV-Kommentator, mein Kumpel und deutscher U23-Meister Tobias Blum aus Saarbrücken, mein brasilianischer Pacemaker vom letztjährigen Düsseldorf Marathon, der im Anschluss drei Wochen mit mir gemeinsam trainiert, laufbegeisterte Zuschauer, die extra für das Event angereist sind, oder diverse Freizeitläufer, mit denen man sonst nur über Social Media Kontakt hat. Die Mischung macht’s.

Und auch in anderer Hinsicht sind solche Events totale Ausnahmesituationen. Während es Fußballer vielleicht eher gewohnt sind, regelmäßig Interviews zu geben, bekommen wir quasi die volle Dröhnung an zwei Tagen. Egal ob Interviews, Auftritte bei der Marathon-Messe oder Pressekonferenzen: Die Kunst ist es, auch in solchen Situationen den Fokus auf das Rennen beizubehalten. Denn auch die vielen Kameramotorräder und Heerscharen an Zuschauern verleiten einen leicht dazu, sich das Rennen falsch einzuteilen. Vor 5 Jahren hießen die Highlights noch Coesfelder Citylauf oder U20-DM. Für mich sind diese Dinge immer noch neu und nach wie vor ein großes Abenteuer. Vor allem aber sind es tolle Erfahrungen, für die es sich zu kämpfen lohnt. Auch wenn man dafür manchmal monatelange Durststrecken überwinden muss.

 

Wie ich das spannende Rennen aus taktischer Sicht erlebt habe, erfahrt im larasch-Interview.