Nur wenige Sportarten üben solch eine Faszination aus wie der Marathon. Nicht ohne Grund stehen bei den großen City-Marathons auf der ganzen Welt zehntausende Läuferinnen und Läufer an der Startlinie und aus gutem Grund darf auf einer echten Bucket-List kein Marathon fehlen. Ein geschaffter Marathon ist immer etwas Besonderes, sowohl für Freizeit- als auch für Profiläufer. Denn hinter der reinen Bewältigung der 42,195 Kilometer, die schon herausfordernd genug ist, verbirgt sich meistens eine monatelange akribische Vorbereitung. Der komplette Lebensstil wird mehr oder weniger auf dieses Ziel ausgerichtet und selbst dann ist noch längst nicht sicher, dass man es wie erhofft ins Ziel schafft. Dennoch gibt es einige Tricks und Herangehensweisen, mit denen sich die Chance auf einen erfolgreichen Marathon deutlich erhöht.
1. Planen Sie genug Vorlaufzeit ein!
Die Marathondistanz wird Ihnen viel abverlangen. Selbst austrainierte Profiläufer spüren den Wettkampf noch wochenlang. Ich kann mich nur zu gut an meinen Köln Marathon-Sieg erinnern, nach dem ich fünf Tage lang ausschließlich rückwärts die Treppen heruntergehen konnte. Deshalb ist die wichtigste Devise: Bereiten Sie sich ausgiebig auf den großen Tag vor. Selbst als geübter Läufer benötigen Sie eine mehrmonatige direkte Vorbereitung. Bei mir dauert diese spezifische Trainingsphase ungefähr 14 Wochen. Diese Phase baue ich aber auf ein bereits bestehendes gutes Fitnesslevel auf. Falls Sie bislang gar nicht oder nur unregelmäßig laufen, sollten Sie sich langsam über 10 Kilometer- und Halbmarathonläufe herantasten und Ihren Marathon erst im nächsten Jahr planen.
2. Gestalten Sie Ihr Training abwechslungsreich!
Lauftraining muss nicht monoton sein. Natürlich versucht man beim Marathon, die Distanz in einem möglichst gleichmäßigen Tempo zu schaffen. Aber ich setze im Training lieber auf einen abwechslungsreichen Mix aus verschiedenen Bausteinen:
Langer Dauerlauf: Distanzen von 25-40 Kilometern, bei denen ich sukzessive schneller werde. Hier baue ich mir landschaftlich schöne Runden zusammen und fahre am Sunday Longrun gerne an verschiedene besonders schöne Orte.
Tempodauerlauf: Bei den intensiven Tempodauerläufen von 12 bis 20 Kilometern Länge renne ich ein konstant hohes Tempo, das sich im Bereich des angestrebten Wettkampftempos bewegt.
Fahrtspiele: Bei dieser Einheit wird mit verschiedenen Geschwindigkeitsniveaus gespielt. Ein typisches Marathon-Programm sind „Ins and Outs“, bei denen sich schnelle 1000 Meter-Abschnitte mit moderaten abwechseln.
Intervallprogramme: Die intensiven Intervalle geben mir die Tempohärte für den Wettkampf. Typische Marathonprogramme sind 12x1000 Meter oder 6x2000 Meter, die durch eine Trabpause unterbrochen werden.
Regenerative Läufe: Das harte Marathontraining wird durch regenerative Tage aufgelockert. Die regenerativen Läufe haben eine geringe Intensität und sind nicht besonders lang. Oft werden Sie durch intensive Gymnastik abgerundet. Hier geht es darum, wieder frisch für die harten Einheiten zu werden.
Athletiktraining und Gymnastik: Um einen sauberen Laufstil beizubehalten, ist eine stabile Rumpfmuskulatur wichtig. Mit meinem Stabitraining stärke ich vor allem meine Bauch- und Rückenmuskulatur. Vor allem im Marathon lässt sich durch einen effizienten Schritt viel Kraft sparen. Durch Gymnastik sorge ich dafür, dass mein Körper durch die vielen Trainingskilometer nicht „einrostet“ und beweglich bleibt.
3. Sorgen Sie für ausreichend Regeneration!
In der Vorbereitungsphase auf den Marathon wird Ihr Körper auf ein neues Leistungsniveau gehoben und dabei arg strapaziert. Geben Sie ihm ausreichend Möglichkeiten, sich daran anzupassen. Viele Verletzungen entstehen durch zu wenig Erholung. Dies musste ich schon oft genug leidvoll erfahren. Da ich neben dem Leistungssport viele berufliche Verpflichtungen und Unitermine auf Kosten der Regeneration hatte, stieg meine Verletzungsanfälligkeit, sodass ich unter dem Strich zwei Europameisterschaften und die Olympischen Spiele trotz erfüllter Qualifikation verpasste. Versuchen Sie, möglichst viel Regenerationszeit in Ihren Alltag einzubauen und wenn nötig auf eine Trainingseinheit zu Gunsten der Erholung zu verzichten, falls Ihr Berufsalltag nicht beides zulässt.
4. Marathon ist Teamsport!
Obwohl Sie als Läufer eine Individualsportart betreiben, sind Sie im Team erfolgreicher. Nicht ohne Grund zählen die weltbesten Läufer so gut wie immer auf Ihre starken Trainingsgruppen mit Partnern, die einen an schwächeren Tagen motivieren und mitziehen. Auch ich hätte ohne die Hilfe meiner Trainingspartner viele Einheiten nicht so gut absolvieren können. Im Marathon ist es besonders einfach, voneinander zu profitieren, selbst wenn man vom Leistungsniveau etwas auseinanderliegt. Ein Beispiel: Vor kurzem musste ich vier Durchgänge des Programms
3000 Meter (3:07 pro Kilometer) / 1 Minute ruhig laufen /
1000 Meter (3:00 Minuten) / 2 Minuten ruhig laufen
absolvieren. Begleitet wurde ich von zwei Trainingspartnern, von denen einer recht fit war und einer aus einer langen Verletzungspause kam. Der stärkere Partner absolvierte mit mir die ersten 2000 Meter des längeren Laufs und den schnellen 1000er am Ende des Durchgangs. Der nicht ganz so fitte Partner stieg nach den 2000 Metern ein und brachte mich bis zur 3000 Meter-Marke und hatte dann eine längere Pause bis zum nächsten Durchgang. So hatten beide einen individuellen Trainingseffekt und ich wurde während der gesamten Einheit begleitet, was mir sehr half. Solche Lösungen sind recht einfach zu gestalten und haben einen hervorragenden Effekt.
Auch bei diesem 10x1000 Meter-Workout in Vorbereitung auf meinen letzten Marathon wurde ich auf diese Art und Weise von meiner Gruppe unterstützt:
5. Lassen Sie sich nicht entmutigen!
Ganz klar, eine Marathonvorbereitung ist kein Zuckerschlecken und sehr anstrengend. Deshalb werden immer wieder Tage kommen, an denen man keine Lust auf das Training hat und am liebsten im Bett bleiben würde. Bleiben Sie am Ball! Genau diese Tage sorgen dafür, dass sich der Zieleinlauf beim Marathon so unvergleichlich anfühlt. Denn wer auch diese Tage hinter sich bringt, kann mit Fug und Recht behaupten, dass ihm oder ihr etwas ganz Besonderes gelungen ist. Motivieren Sie sich, indem Sie an das große Ziel denken und malen Sie sich den Erfolg in allen Farben aus. Außerdem helfen an diesen Tagen Trainingspartner und feste Verabredungen. So drehen Sie sich im Bett nicht einfach wieder um.
6. Bleiben Sie realistisch!
Stecken Sie sich ein ambitioniertes, aber realistisches, Ziel. Vieles können Sie aus dem Training ableiten. Falls Sie beispielsweise Probleme haben, länger als zwei Stunden am Stück zu Joggen, sollten Sie erstmal darauf hinarbeiten, die Marathondistanz ohne Gehpause zu bewältigen, anstatt eine bestimmte Zielzeit anzuvisieren. Gute Indikatoren der eigenen Leistungswettkämpfe sind zudem Aufbauwettkämpfe. Ich absolviere gerne drei Wochen vor dem Marathontag einen letzten Testwettkampf. Hier bietet sich vor allem ein Halbmarathon an. Auch vorher überprüfe ich immer wieder meinen Formfortschritt, zum Beispiel bei 10 Kilometer-Wettkämpfen.
7. Lassen Sie sich Zeit, um in den Wettkampfmodus zu kommen!
Lange fiebern Sie auf den großen Marathontag hin und widmen ihm unzählige Trainingskilometer. Sorgen Sie dafür, dass sich Ihr Körper auf diese große Herausforderung einstellen kann – sowohl physisch als auch psychisch. Die meisten Marathons beginnen früh morgens, sodass vor dem Rennen wenig Zeit bleibt. Reisen Sie am besten schon am Tag zuvor oder besser zwei Tage vorher an und erledigen Sie in dieser Zeit alle Aufgaben, die Stress bedeuten könnten. Denn Nervosität verspürt man vor dem Rennen schon genug. Kümmern Sie sich schon am Vortag um Ihre Startnummer, legen Sie sich alles zurecht, was sie am Raceday benötigen und nutzen Sie den Tag vor dem Wettkampf zur Entspannung. Ein kurzer Spaziergang durch die Stadt kann dabei sehr hilfreich sein. Planen Sie für Ihr Warmup so viel Zeit ein, dass Sie ein bisschen die Stimmung am Start aufsaugen können. Die unzähligen fokussierten Mitstreiter und die Atmosphäre vor dem Start sind ein ganz besonderes Gefühl.
8. Bleiben Sie besonnen!
Teilen Sie sich Ihr Rennen klug ein und setzen Sie diesen Plan möglichst diszipliniert um. Vor allem im Marathon rächt sich ein zu hohes Angangstempo bitter und ist gleichzeitig besonders verlockend. Denn die vielen anderen Läufer, die gemeinsam mit einem auf die Strecke gehen, verleiten dazu, „kopflos“ loszurennen. Hinzu kommt die motivierende Musik am Start und natürlich die vielen Zuschauer, die am Start besonders dicht stehen. Außerdem fühlt sich das angestrebte Marathontempo auf den ersten Kilometern oft sehr langsam an – eine echte Tücke beim Marathon. Ich erinnere mich gut an die ersten Kilometer beim Köln Marathon 2017, wo ein Kilometerschnitt von 3:10 Minuten angepeilt wurde. Die ersten vier Kilometer waren sogar deutlich unter diesem Tempo, fühlten sich aber total langsam an. Das änderte sich dann aber rapide, als es Richtung Kilometer 30 ging. Am Start gilt deshalb: „Cool bleiben“!
9. Verpflegen Sie sich!
Selbst Profiläufer sind beim Marathon länger als zwei Stunden unterwegs – länger als die körpereigenen Kohlenhydratspeicher halten. Deswegen ist es essentiell, sich beim Rennen zu verpflegen – und das nicht erst, wenn es bereits zu spät ist. Ich nehme eine mein Elektrolytgetränk alle fünf Kilometer zu mir, auch wenn ich anfangs noch keinen Durst verspüre. Sowohl für Freizeit- als auch für Profiläufer stellen die Veranstalter in der Regel Verpflegungsstationen bereit. Wichtig für Sie ist: Üben Sie, sich beim Laufen zu verpflegen und probieren Sie Dinge aus. Denn das Verpflegen ist etwas sehr Individuelles und an die Nahrungs- oder Getränkeaufnahme beim Laufen sollte man sich langsam gewöhnen. Am besten kann man dies bei den Longruns üben, da man dabei oft die Kohlenhydratspeicher leert.
10. Passen Sie sich an die Bedingungen an!
Marathon ist in gewisser Weise eine Lotterie. Vor allem bei Profisportlern, geht es oft nicht nur um eine gute Platzierung, sondern auch um Normen, wo jede Sekunde zählt. Extreme Wetterbedingungen können dabei fatal sein. Steuern Sie in diesen Situationen gegen, zumindest so weit es möglich ist. Nehmen Sie bereits im Vorfeld verschiedene Kleidung für alle denkbaren Wetterkonstellationen mit und passen Sie Ihre Verpflegung an das Wetter an. Bei großer Hitze ist es noch wichtiger, mehr Flüssigkeit aufzunehmen und weitere Elektrolyte zuzuführen. Ein Trick bei Hitze, der bei mir gut funktioniert hat, waren Eiswürfel, die ich unter meinem Schweißband platziert habe.
11. Keine Experimente!
Setzen Sie am großen Marathontag auf Bewährtes. Die Zeit für Experimente ist jetzt vorbei und Sie sollten sich an den Dingen orientieren, die im Training funktioniert haben. Vor allem gilt dies für Ihr Schuhwerk und die Wahl der Socken. Schon oft habe ich hier von schlimmen Blasen gehört, weil sich Läufer die Wettkampfschuhe für den Marathon aufgehoben haben, ohne sie vorher ausreichend zu testen. Auch beim Thema Ernährung sollten Sie sich beim Rennen nicht auf Neues einlassen. Lassen Sie sich in Ihrer Vorbereitung ausreichend Zeit, um auf solche Aspekte einzugehen.
12. Lockern Sie Ihre Muskulatur nach dem Zieleinlauf!
So schön das Gefühl eines erfolgreich gefinishten Marathons auch ist, sollten Sie einen kurzen Augenblick pragmatisch denken. Auch wenn das Hochgefühl im ersten Moment die Muskelschmerzen verdrängt, können Sie mit einer schnellen Massage oder einem warmen Bad im Hotelzimmer kurz nach dem Zieleinlauf Ihre Regenerationszeit erheblich verkürzen. Ihr Körper wird es Ihnen danken und Zeit zum Anstoßen bleibt auch dann noch genug.
13. Belohnen Sie sich!
Scheuen Sie nicht davor zurück, sich nach dem gefinishten Marathon etwas zu Gönnen und für einige Wochen das Leben bewusst in vollen Zügen zu genießen, zum Beispiel kulinarisch. Wenn möglich, legen Sie sich Ihren Urlaub in die Zeit nach dem Marathon und runden Sie so die monatelange Quälerei würdig ab. Die Zeit der Askese kann nun für einige Wochen komplett umgedreht werden, damit sich Körper und Geist von der harten Zeit erholen. Wenn Sie diesen Punkt erreicht haben, werden Sie merken, wofür sich die harte Vorbereitung und die mehr als 42 Kilometer lange Quälerei gelohnt haben.